
Heute steht uns mit 380 Kilometern die längste Etappe unserer Reise bevor – und dies auch noch unter schwierigen Bedingungen: Die Strasse ist fast auf der ganzen Strecke eine Piste, die vermutlich wegen des nahenden Saisonendes schon lange keinen «Schaber» mehr gesehen hat. Das ist ein Fahrzeug, welches die Fahrbahn etwas glättet und angenehmer zu befahren macht.
Kleiner Einschub: Für all jene, die wissen wollen, was ich denn in der Kulala Desert Lodge im schönen Shop alles eingekauft habe: ein Halstuch und zwei (!) Fingerringe. 🤠Ich konnte mich einfach nicht entscheiden und sie passen prima zueinander. Die Grössen haben auch gestimmt und der Preis war typisch namibisch: günstig. Dafür werde ich auf dem Rest der Reise erst ganz am Schluss wieder «zuschlagen»…
Inhalt
Solitaire, der berĂĽhmte Schrottplatz
Doch zurück auf die «Strasse». Das erste Stück bis zur Tankstelle in Sesriem geht ja noch. Wir lassen den Luftdruck der Reifen kontrollieren, damit wir gut starten. Das Damoklesschwert Reifenpanne hängt nach wie vor über mir… Und: auf der nun folgenden Strecke werden wir kaum Telefonempfang haben…


Bis Solitaire zieht es sich mehr als erwartet. Wir machen nur kurz Halt, um die rostigen Oldtimer zu fotografieren. Ja, wohin will man denn hier mit einem Auto, das nicht mehr funktioniert? Man macht das Beste draus und lässt sie ordentlich an der Einfahrt drapiert verrotten. Die Leute von der Tankstelle winken, doch wir brauchen weder Benzin (das hier angeblich nicht immer fliesst), noch haben wir Lust auf den möglicherweise besten Apfelkuchen der Region, der in der benachbarten Bäckerei angeboten wird. Unsere Wegstrecke ist noch zu lang, um hier schon eine Pause einzulegen.
Eine Piste zum Abwinken
Die Landschaft wechselt immer wieder ab: Berge, Dünen, kugelige Steine in allen Grössen und manchmal zu Haufen aufgetürmt, als hätte ein Riesenkind damit gespielt; Steppe mit grüppchenweise verstreut wachsenden Pflänzchen, schroffes Schiefergestein mit der Bruchkante nach oben, dann wieder Dünen. Die Temperaturen gegen die 40 °C machen auch nicht gerade an, eine Pause einzulegen.

Die Schotterstrasse ist eine Zumutung, vor allem wenn man bedenkt, dass hier viele Touristen fahren, die mit solchen Pisten keine Erfahrung haben. Die Sandwellen sind nur ein Problem, das andere sind die grossen Unebenheiten, die urplötzlich auftauchen. Wer sie nicht rechtzeitig sieht, läuft Gefahr, sich eine Reifenpanne einzuhandeln. Heinz fährt sehr gut, aber es wandert doch hie und da ein Stossgebet – oder ein Dankeschön gen Himmel: Die steinigen Abbrüche sehen wir oft erst im letzten Augenblick.

Wir überholen einen Autofahrer, der sooo langsam unterwegs ist, dass er mindestens doppelt so lange braucht, wie veranschlagt. Mit fünf Stunden reiner Fahrzeit untertreibt auch Google. Wir kommen auf sechs Stunden, obwohl Heinz sehr zügig fährt. Das Tempo ist nämlich das Geheimnis, um nicht allzu sehr durchgeschüttelt zu werden. Man muss «einfach» das Mittelmass finden, damit man gut vorwärtskommt, ohne dass der Wagen zu schwimmen beginnt. Seltsamerweise ist die Gegenfahrbahn oft etwas besser… Gut, dass nicht so viele Fahrzeuge unterwegs sind.
In Walvis Bay machen wir dann noch kurz halt, und wundern uns über die Temperatur: nur noch 19 °C! Das ist vergleichsweise sehr frisch, aber angenehm. Doch dann zieht es uns nach Swakopmund ins Hotel. Wir befürchten, nach dieser langen und anstrengenden Fahrt, einen Müdigkeitsanfall zu bekommen –, der sich dann aber doch sehr in Grenzen hält. Gut so!
The Delight Swakopmund: erfeulich!
The Delight ist ein hübsche Stadthotel mit knallbunten Zimmern. Da kommt Fröhlichkeit auf! Unser Zimmer 21 wirkt sehr wohnlich und gemütlich. Es ist alles in Petrol (und Variationen davon), Weiss und Rot gehalten. Der kleine Kühlschrank ist knallrot, genauso das Telefon, die Tassen und die Wassergläser im Badezimmer. Sogar die Bettflaschen, die wir beim Zubettgehen entdecken, sind rot. Und meine ist nicht dicht… Doch das bemerke ich erst später.



Wir spazieren noch zum Strand und zur Mole hinunter, um im Farmhouse Deli etwas zu essen. Die Portionen sind viel zu gross, doch was soll’s? Hier nützt es nichts, kleine Portionen zu bestellen. Das interessiert hier niemanden. Während wir mit dem Essen kämpfen, tauchen draussen Delphine auf. Sie sind hier häufig anzutreffen, verrät eine der Serviceangestellten. Aber schwierig zu fotografieren! Sogar unser iPhone kapituliert angesichts der Distanz und des mangelnden Lichts. Es gibt keine brauchbaren Bilder.

Zurück im Hotel geniessen wir einen Whisky an der Bar und beraten, was wir am nächsten Tag unternehmen wollen. Flamingos und Seebären – da sind wir uns rasch einig. Die Welwitschia, eine sehr seltene und uralte Pflanze, muss leider «über die Klinge springen». Uns reicht die Zeit einfach nicht für alles. Ein, zwei Tage mehr hätten wir in Swakopmund gut brauchen können…

Als wir in unser Zimmer kommen, läuft die Klimaanlage auf vollen Touren mit 23 °C. Was soll das denn?! Wir stellen sie ab, schlüpfen unter die Decke (wundern uns über die bereits erwähnten Bettflaschen) und erwachen nur wenige Stunden später, weil es so kalt geworden ist – und in meiner Betthälfte auch ein wenig feucht. Wir hätten die Klimaanlage besser angelassen, und ich hätte meine Wärmeflasche kontrollieren sollen…
Die Seebären vom Cape Cross
Wir stärken uns am Frühstücksbüfett, das wirklich keine Wünsche offen lässt, und fahren los Richtung Cape Cross. Hier befindet sich ein Seebären-Reservat, eines der grössten. Wir bezahlen Eintritt und fahren zum Parkplatz bei den Holzstegen, auf denen die Besucher zwar recht nah an die Tiere kommen, aber in Bahnen gelenkt bleiben. Da wir einigermassen früh dran sind, hat es noch nicht so viele Touristen, und es gibt kein Gerangel um gute Fotoplätze.

Seebären sind zwar Robben, aber bilden zusammen mit den Seelöwen eine eigene Untergruppe, nämlich die Ohrenrobben. Klar also, dass die kleinen Öhrchen eines der Erkennungsmerkmale sind. Der optische Unterschied zwischen Seebären und Seelöwen ist ein ganz kleiner: Die Schnauze der Seebären ist spitzer als jene der Seelöwen, und die Augen der Seebären sitzen weiter vorne. Alles über Robben findest Du bei Passenger on Earth in Petras Blogpost über die verschiedenen Robbenarten.


Wir geniessen den Anblick der Tiere, die zugegebenermassen echt zum Himmel stinken! Nach einer Weile nehmen wir den «Duft» zwar nicht mehr so intensiv wahr, dafür bleibt er uns nach dem Aufenthalt am Cape Cross noch ein wenig in der Nase hängen. Dass die Seebären so süss sind, macht den Gestank wieder wett. Es hat viele Jungtiere – leider auch tote –, die mal allein, mal in Grüppchen oder an der Zitze der Mutter zu beobachten sind. Die meisten Seebären wirken sehr faul und liegen unter dem Steg am Schatten. Diejenigen Tiere, die gerade vom Futtern aus dem Wasser robben, putzen sich erst einmal und lassen den Pelz an der Sonne trocknen. Es ist ein einzigartiges Schauspiel!


Wir sind froh, haben wir uns entschieden, Cape Cross nicht in die Weiterfahrt am nächsten Tag eingebaut zu haben. Der Zeitdruck hätte ganz sicher den vollen Spass und die Freude etwas geschmälert. So entschliessen wir uns nach fast zwei Stunden, den Ort zu verlassen und südwärts nach Walvis Bay zu fahren. Der Zeitpunkt stimmt, denn gerade ist eine Busladung Italienerinnen und Italiener angekommen…
Die Falmingos von Walvis Bay
Walvis Bay liegt nur eine halbe Autostunde von Swakopmund entfernt. Walfischbucht, wie der Name übersetzt heisst, ist eine Industriestadt mit dem einzigen Tiefseehafen des Landes. Für die ganze Gegend ist neben Frachthafen und Fischfang die Salzgewinnung ein wichtiges Thema. Salz wird auch überall als Souvenir angeboten. Walvis Bay war mal im Besitz der Kap-Holländer, dann der Briten und ab 1910 gehörte es zur Südafrikanischen Union. Erst 1994, also Jahre nach der Unabhängigkeit Namibias, hat Südafrika die Enklave an Namibia abgetreten und die Grenzzäune konnten entfernt werden. Seither ist die Hafenstadt wichtig für Namibias Wirtschaft.


Das Hafengebiet interessiert uns weniger, aber die Flamingos der Lagune ziehen uns an. Im Hintergrund ist die Industrie nicht zu übersehen, doch den rosaroten Vögeln ist das völlig egal. Nachdem wir uns sattgesehen haben, beschliessen wir, einzukehren. Ein kühles Bier in der Bar des Blue Whale Boutique Hotels ist jetzt eine richtige Wohltat. Hingegen gibt sich das Hotel snobistischer als es wert ist. Bei genauerem Hinsehen ist es nicht so gepflegt, wie es sein sollte. Aber die Aussicht auf die Lagune ist natürlich super. Auch in Walvis Bay hätten wir gut und gerne einen Tag mehr einbauen können, um beispielsweise eine Kanutour durch die Lagune zu unternehmen. Aber es ist, wie es ist.
Deutsches Erbe und die besten Calamari ever!
Am späteren Nachmittag fahren wir zurück nach Swakopmund und bummeln noch ein wenig durch die Gegend. Die Stadt ist bei den Namibierinnen und Namibiern vor allem im Dezember und Januar sehr beliebt – weil hier die sommerlichen Temperaturen angenehmer sind als im Rest des Landes. Dann sei Swakopmund jeweils völlig überlaufen, erzählt die Hotelière vom Delight. Von ihr bekommen wir auch den Tipp fürs Abendessen.

Man sieht der Stadt die deutsche Vergangenheit heute noch recht gut an. Es gibt Gebäude, die in Deutsch angeschrieben sind, eine Bismarck-Strasse ist auch noch zu finden, genauso wie Schwarzwälder Kirschtorte und deutsches Bier. Und aufgrund des Tipps landen wir im Old Sailor, einem pub-artigen Restaurant, das einem ausgewanderten Hamburger gehört. Hier treffen sich auch regelmässig Deutsche zum Skat-Spiel.


Uns wurde erzählt, dass der Inhaber selber zum Fischen aufs Meer fährt. Nun, wir hatten jedenfalls noch nie bessere Calamari als die im Old Sailor! Die sind so zart, dass man sie mit der Gabel zerkleinern kann. Yummie… Die bleiben uns noch lange in Erinnerung!
Am nächsten Morgen fahren wir in nordöstlicher Richtung nach Twyfelfontein. Auch diese Strecke sorgt für eine Überraschung…
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© Text: Inge Jucker; Fotos: Heinz Jucker | TravelExperience.ch | 2024
Offenlegung: Wir haben die ganze Reise aus der eigenen Tasche bezahlt.
											
				
				
				
				
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