Das Kloster Muri, ursprünglich Heimat von Benediktinermönchen, ist im Grunde genommen eine reine Herzensangelegenheit der Habsburger. Also eigentlich handelt es sich um zwei… Ein Rundgang durch das Kloster und seine Geschichte, verknüpft mit allerlei Geschichten.
Aussenaufnahme vom Kloster Muri, Aargau
Das Kloster Muri beeindruckt auch durch seine Grösse.

Das 3-Häuser-Hotel Caspar hat uns in den Aargau, nach Muri gelockt (hier geht’s zum Blogbeitrag über das Hotel Caspar) und was liegt näher, als sich auch das gegenüberliegende Kloster Muri, eine Art Hochburg der Habsburger, anzuschauen? Gesagt – getan. Und wenn der Tag ein verregneter ist, dann lohnt es sich erst recht, eine der Führungen zu buchen.

Ein guter Guide schenkt Wissen und Unterhaltung

Wir geniessen eine (ausserordentliche) alle Themen zusammenfassende Führung mit Urs Pilgrim, seines Zeichens pensionierter Arzt und ehemaliger Präsident von Murikultur. Sein geballtes Wissen vermittelt er wunderbar anschaulich, und er erzählt von Zusammenhängen, die einem vorher gar nicht bewusst waren.

Als Arzt und kritischer Katholik (wie er selbst sagt) erlaubt er sich immer mal wieder herrlich spitze Bemerkungen, welche der FĂĽhrung zusätzliche WĂĽrze geben. Seine Ansichten zu Medizin und Glaube hat er ĂĽbrigens in seinem Buch «Was hilft?» festgehalten â€“ und oft stehen sie im Zusammenhang mit dem Kloster, das frĂĽher eine Klosterapotheke und einen Kräutergarten sowie heute das Museum fĂĽr medizinhistorische BĂĽcher beherbergt.

Seine Führungen passt Urs Pilgrim jeweils an die Gäste und ihre Interessen an. Wir haben den Klosterrundgang mit ihm jedenfalls sehr genossen und viel in Sachen (klösterliche und geschichtliche) Weiterbildung profitiert.

Die Klosterkirche

Weil es regnet, bewundern wir die beiden KirchtĂĽrme nur kurz. UrsprĂĽnglich, also aus dem 11. Jahrhundert, ist die Basis der gotischen, himmelstrebenden TĂĽrme. Der goldene Engel wurde hingegen erst während der Barockisierung im 17. Jahrhundert auf der Kuppelspitze platziert.

Wir schlĂĽpfen rasch durch die KirchentĂĽr und entfliehen dem Nass. Der Eingangsbereich mit seiner Beichtmöglichkeit wirkt bedrĂĽckend und einengend. Das sei durchaus gewollt, erzählt Urs Pilgrim. Man wird erst ein wenig «klein gemacht», um sich dann befreit zu fĂĽhlen; denn der Kirchenraum öffnet sich weit, ist hell, hoch und tatsächlich befreiend. Mit 65 Metern ist er der höchste Sakralraum der Schweiz.

Er ist geprägt vom Barock: Viel Schein, geistige und wirtschaftliche Ă–ffnung, mächtig, imperial und achteckig ist der Raum, der sich in Nischen öffnet. Das barocke Thema äussert sich mit viel Symbolik. Beispielsweise das Oktogon. Es symbolisiert Vollkommenheit, aber auch die Auferstehung und den Neubeginn (7 + 1: am achten Tag beginnt die neue Woche). Bei genauerem Hinsehen scheint das Gold förmlich von den Wänden zu tropfen. Der Reichtum ist offensichtlich. Und ganz nach Benedikts Vorstellung ist der Kirchenbesuch ein Fest fĂĽr alle Sinne!

Detailaufnahme in der Klosterkirche im Kloster
Da läuft doch das Gold tatsächlich die Wände herunter. Fast zumindest.

Hier werden pro Jahr um die 20 000 Kerzen angezĂĽndet und viele Gedanken im Sorgen- und Wunschbuch niedergeschrieben. Die Klosterkirche verfĂĽgt ĂĽber drei Orgeln und jeden Sommer finden viele Orgel- und andere Konzerte statt. Und das alles sehr losgelöst von Religionen, denn es geht einzig um den Musikgenuss.

Krypta im Kloster Muri, Aargau
Die hĂĽbsch verzierte Krypta unter dem Chor der Klosterkirche.

Die Krypta liegt unter dem Chor. Die dreischiffige Säulenhalle ist weitgehend so geblieben wie zur Zeit der Kircheneinweihung 1064. Der romanische Stil ist im Vergleich zur Kirche geradezu nüchtern, wie auch der Lebensstil damals eher asketisch und zurückhaltend war. Der Raum eignet sich hervorragend, um ein paar Minuten innezuhalten.

Kaiserliche Herzen in Muri

Wir gelangen zur Loretokapelle, wie es sie auch in anderen Kirchen gibt. Traditionell wird hier die Gottesmutter Maria verehrt. In jener des Klosters Muri ist seit 1970 aber auch die Familiengruft des Hauses Habsburg-Lothringen untergebracht, fĂĽr den letzten österreichischen Kaiser Karl I. und seine Nachkommen. Sein Körper liegt zwar in Funchal auf der Insel Madeira begraben, aber sein Herz wurde in die Familiengruft im Kloster Muri gebracht. Als seine Gattin, Kaiserin Zita, 1989 verstarb, wurde sie zunächst in der Kapuzinergruft in Wien beigesetzt. Aber noch im gleichen Jahr brachte man auch ihr Herz nach Muri. Die beiden sind hinter dem Altar vereint â€“ das ist, zeitlich betrachtet, die zweite Herzensangelegenheit.

Loretokapelle im Kloster Muri, Aargau
Hinter dem Altar der Loretokapelle befinden sich die Herzen von Kaiser Karl I. und Gattin Zita.

Das älteste Grab der Habsburger ist jenes vor dem Chorgitter der Klosterkirche: hier sind die Klosterstifter Radbot und Ita beigesetzt. Er schenkte ihr das Kloster als «Morgengabe», also als Hochzeitsgeschenk. Üblicherweise handelte es sich dabei um Geld oder Güter. Ita konnte ihren Radbot aber überzeugen, ihr ein Kloster zu erbauen. Das wäre dann die erste Herzensangelegenheit… Auf einer Tafel auf dem Stifterdenkmal sind alle Habsburger aufgeführt, die in Muri ihre letzte Ruhestätte gefunden haben.

Der Kreuzgang

Während der Religionswirren (1531) wurde der ursprüngliche Kreuzgang zerstört. Er wurde wieder aufgebaut und Abt Christoph von Grüth sorgte schliesslich mit Schweizer Renaissance-Malerei für den Fensterschmuck, der heute noch zu bewundern ist. Mit den 57 Kabinettscheiben lässt sich viel Zeit in der Schweizer Geschichte verbringen. Hier sind Könige und Heilige mittels Glasmalerei auf Bleiglasfenstern verewigt, aber auch biblische und profane Szenen dargestellt. Felix und Regula, die Zürcher Stadtheiligen, habe ich jedenfalls entdeckt.

Klostergarten im Kloster Muri, Aargau
Der Kreuzgang vom Klostergarten aus betrachtet.
Kreuzgang im Kloster Muri, Aargau
Im Innern wirkt der Kreuzgang der Fensterbilder wegen sehr edel.

Das Klostermuseum

Das Klostermuseum â€“ so, wie es heute ist â€“ wurde 2014 im ehemaligen Finanz- und Steueramt eröffnet. Ziel ist es, den Blick hinter die Klostermauern zu werfen, das Leben der Benediktiner Ă„bte und Mönche nachzuzeichnen und die Geschichte der Habsburger zu erzählen, welche 1027 das Kloster gestiftet haben. Die Habsburg, das Stammschloss der Habsburger, liegt nur eine halbe Autostunde vom Kloster Muri entfernt.

Die Sonderausstellung, die von 22. März bis 9. November 2025 dauert, handelt von «Söldnern, Geld und Macht» und erzählt aus der Familiengeschichte von Abt Plazidus Zurlauben. Ăśber die aktuellen Ausstellungen kann man sich auf der Homepage von MuriKultur informieren.

Blick in den Äbtekeller

Zum Klostermuseum gehört auch der Raum der Ă„bte. Hier gibt es zu sieben Ă„bten des Klosters Muri Beschreibungen und AusstellungsstĂĽcke. Urs Pilgrim erzählt fĂĽr uns aus dem Nähkästchen â€“ wenn man das so sagen darf: Von Abt Laurentius von Heidegg (Abt von 1508–1549), der Herr ĂĽber das Kloster, aber auch ein weltlicher Herr war, ist tatsächlich noch sein Stuhl erhalten geblieben. Eigentlich hatten (und haben) alle Ă„bte weltliche Interessen.

Abt Jacobus Meyer (1585–1596) hat die Regeln locker genommen, gerne gefestet, war Alkoholiker und hatte Frauengeschichten. Abt Johann Jodok Singisen (1596–1644) war Nachfolger und Gegner von Meyer. Er soll ein guter Abt gewesen sein, wahrscheinlich der Beste, wie Urs Pilgrim meint. Ausserdem war Singisen Mitbegründer der Benedikt-Regeln in der Schweiz. Ihm ist das im Kloster integrierte Singisen Forum gewidmet.

Äbtekeller im Kloster Muri, Aargau
Im Raum der Äbte sind interessante Details zu den Klosteroberen ausgestellt und erklärt.

Abt Dominikus Tschudi (1644–1654), vermittelte im Bauernkrieg 1653 und war ein guter Rechtsberater. Mit Erlaubnis des Papstes Innozenz X. veranlasste Tschudi die ĂśberfĂĽhrung der sterblichen Ăśberreste des Katakomben-Heiligen Leontius und Benedikt Martyr von Rom nach Muri. Dem heiligen Leontius wurde in der Klosterkirche extra eine Kapelle errichtet, weshalb das Kloster zum viel besuchten Wallfahrtsort wurde.

MehrWissen: Wieso oft nur Körperteile als Reliquien verehrt werden

Im Zeitalter von Ross, Reiter und Kutschen war es durchaus sinnvoll, wenn von einem in einer Schlacht gefallenen Herrscher nur das Herz nach Hause gebracht wurde. Es war wesentlich einfacher zu transportieren als der ganze Körper. Eine Weile lang hat man sich von Heiligen (oder weniger Heiligen) der Katakomben in Rom (daher der Ausdruck Katakomben-Heilige) ganze Körper oder auch nur Teile davon als Reliquien geholt. Damit bekam die Kirche den Status einer Wallfahrtskirche â€“ und in der Folge mehr Zulauf.

Etwa um 1900 sind Körperteile als Reliquien ausser Mode gekommen und wurden in Museen oder auf den Dachboden verfrachtet. In den letzten Jahrzehnten haben einige ländliche Kirchen jedoch wieder angefangen, sich für Reliquien zu interessieren. Diese dürfen übrigens nicht verkauft, sondern nur verschenkt werden. An der Echtheit darf hingegen ab und an schon gezweifelt werden.

Fürstabt Placidus Zurlauben (1684–1723) war als Lehrer an der Klosterschule tätig, ausserdem Sekretär der Schweizerischen Benediktinerkongregation und wurde 1684 als Nachfolger von Abt Hieronymus Troger zum Fürstabt gewählt.

Fürstabt Gerold II. Meyer (1776–1810) hat den Westflügel des Klosters realisiert, musste aber 1798 wegen des Franzoseneinfalls flüchten. Erst 1803 kehrte er zurück, als zwischen der Schweiz und Frankreich wieder vermittelt wurde.

Diakonsgewand von Abt Gerold Meyer II im Kloster Muri, Aargau
Das Kiakonsgewand von Abt Gerold Meyer II. wirkt sehr schwer…

Abt Adalbert Regli (1838–1881): Nachdem 1841 der Kanton Aargau das Kloster Muri aufhebt (und den Aargauer Klosterstreit auslöst), wagt Regli als Abt zusammen mit anderen Benediktinermönchen 1845 den Neubeginn in der Abtei Muri-Gries im Südtirol, Italien.

Klostergeschichte und Geschichten

1341 von den Habsburgern fürstlich beschenkt, zählte das Kloster Muri zu den reichsten Abteien der Schweiz. Entsprechend verfügt es über die längste klassizistische Fassade, und allein der Ostflügel des sogenannten Lehmannbaus, dem grössten Gebäude des Klosters, zählte 400 Räume!

Lehmannbau, der OstflĂĽgel des Klosters Muri, Aargau
Dieser Teil des Ostflügels des Lehmannbaus macht nur einen kleinen Teil des ganzen Gebäudes aus.

Zu Benedikts Zeiten war die 2,8 Meter hohe Mauer wichtig, damit die Mönche abgeschieden leben konnten. Gegenüber befand sich damals bereits ein Gasthof, das heutige Hotel Caspar, dessen Bewohnerinnen für allerlei Ablenkung hätten sorgen können…

Der Reichtum zeigte sich auch in der Klosterapotheke, welche über mehr als 300 Heilkräuter verfügte, die auch der Öffentlichkeit zugänglich waren. Wer von einem Zipperlein geplagt wurde, besuchte also die Apotheke mit ihrem grossen Kräutergarten.

1712 fand die blutigste Schlacht der Schweiz, die zweite von Villmergen, ihr Ende: Reformierte und katholische Orte der alten Eidgenossenschaft waren in einen militärischen Konflikt geraten, der nun endete. Es war um Machtverteilung gegangen. ZĂĽrich und Bern â€“ beide reformiert â€“ beanspruchten mehr Einfluss, während die katholischen fĂĽnf Orte Luzern, Schwyz, Uri, Zug und Unterwalden entschieden, sich zu wehren. Und mittendrin stand die Abtei von Muri.

Nachdem die Reformierten gewonnen hatten, bat die Abtei um Schutz, den sie prompt bekam. Allerdings musste die Klosterbäckerei im Gegenzug jeden zweiten Tag 1000 Portionen Kommissbrot an die in Bremgarten lagernden Berner Truppen liefern. Im «Frieden von Aarau» setzten Bern und ZĂĽrich schliesslich die konfessionelle Gleichberechtigung durch und beendeten die Vormachtstellung der katholischen Orte.

Garten des Klosters Muri, Aargau
Dieser Garten soll den Kräutergarten der Klosterapotheke symbolisieren. Kräuter werden hier nicht mehr angebaut.

Zu jener Zeit haben die Bürger für Geld alles bekommen. Ablass für die Vergangenheit und Zukunft, das ging in einem. Und auch der Eingang in den Himmel konnte erkauft werden. «In katholischen Kirchen ist das eigentlich bis heute so», erzählt Urs Pilgrim. Dieser Reichtum hat sich unter anderem auch in den kostbaren Kirchengewändern ausgedrückt, von denen eines im Klostermuseum zu sehen ist.

Weitere Museen im Kloster

2016 wurde das Museum fĂĽr medizinhistorische BĂĽcher als Privatmuseum von Dr. Franz Käppeli eröffnet. Hier sind digitalisierte BĂĽcher von Originalen zu sehen, die daneben ausgestellt sind. Aus dem Fundus des Dr. Käppeli werden regemässig neue Fokus-Ausstellungen zusammengestellt. Derzeit geht es um «Wachstum â€“ KräuterbĂĽcher der Renaissance».

Medizinhistorische BĂĽcher im Museum vom Kloster Muri, Aargau
Im Museum für medizinhistorische Bücher lagern wahre Schätze. Zweibeinige Bücherwürmer dürfen hier dennoch stöbern.

Über die jeweiligen Aktualitäten kann man sich auf der Homepage des Museums informieren. Logisch, dass sich hier unser Klosterführer und Arzt Urs Pilgrim besonders gut auskennt. Er erzählt, dass die mittelalterliche Medizin auch an magischen Vorstellungen festmacht, die durchaus auch heute noch eine Rolle spielen können.

Um die Museen-Thematik zu vervollständigen: 2019 wurde das Museum Caspar Wolf eröffnet. Wir haben der Gemäldeausstellung des Schweizer Landschafts- und Alpenmalers nicht sooo viel Zeit gewidmet, denn vom bereits Erlebten und Gesehenen sind wir ziemlich überwältigt. Aber hier der Link zum Museum Caspar Wolf.

Infos zum Kloster Muri

Murikultur
Marktstrasse 4
5630 Muri
https://www.murikultur.ch/einleitung-kloster-muri

Ă–ffnungszeiten und Eintrittspreise sind auf der Homepage vermerkt.

HOTEL
Wer in Muri etwas mehr Zeit verbringen möchte, dem empfehlen wir die Übernachtung im
3-Häuser Hotel Caspar
Caspar-Wolf-Weg 1
CH-5630 Muri
www.caspar-muri.ch

Historische Holzdecke in einem Zimmer im Hotel Caspar, Muri, Aaargau
Im Hotel Caspar bzw. im alten Adler ist die historische Holzdecke in einem der Zimmer erhalten geblieben.

BUCHTIPP
Als Vorbereitung oder auch im Nachgang oder einfach zur persönlichen Freude lohnt sich die Lektüre von Urs Pilgrims Buch «Was hilft?» Medizin und Religion in Bildern aus dem Kloster Muri. Das 205 Seiten starke Buch ist in der Edition NZN bei TVZ Theologischer Verlag Zürich erschienen (ISBN 978-3-290-20191-3).

© Text: Inge Jucker; Fotos: Heinz Jucker | TravelExperience.ch | 2025

Offenlegung: Im Rahmen einer Muri-Reportage fĂĽr die GlĂĽcksPost waren wir fĂĽr eine Ăśbernachtung im Hotel Caspar und zur KlosterfĂĽhrung eingeladen.