
Irgendwie sieht’s hier aus wie im Elsass, aber eben doch nicht ganz: Etwas weniger Fachwerkhäuser, doch mindestens so viele Weinberge wie bei den südlichen Nachbarn. Und es gibt jede Menge zu erleben an bzw. in der Weinstrasse – die Route gibt dem Landkreis Südliche Weinstrasse den Namen und den Autonummern der Einheimischen das Kürzel SÜW.
In Niederhorbach, einem kleinen Winzerdorf nahe der Landkreishauptstadt Landau, haben wir im lauschigen Weinhotel Fritz Walter unseren idealen Ausgangsort gefunden: In längstens 35 Minuten ist alles erreicht, was uns interessiert. Doch von vorne…
Inhalt
Biowein vom Feinsten
Den ersten Eindruck von Pfälzer Wein bekommen wir bei Heiner Sauer, der im Sommer 2021 auf seinem Weingut in Nussdorf eine Vinothek eröffnet hat. Von der Terrasse aus geniessen wir die Aussicht in die weite Rheinebene, während der Pionier in Sachen Biowein seine beliebtesten Kreationen vorstellt. Von denen wir übrigens sehr angetan sind. Die Spezialität des Hauses, ein Grünfränkisch, ist allerdings ausverkauft. Die historische Rebsorte stellt ein Unikum dar und stammt ursprünglich aus Ungarn. Sie galt als ausgestorben, bis sie 2008 in einem der Sauer-Weinberge wiederentdeckt wurde.

1987 hat Heiner Sauer auf dem eigenen Weingut mit Bioanbau angefangen, weil ihn der ökologische Weinbau gereizt hat. Damals gab es noch nicht viele Biobauern, man konnte also noch nicht auf viel Erfahrung zurückgreifen. Mittlerweile bewirtschaftet er 33 Hektaren und produziert erstklassige Bioweine. Und das alles im eigenen Haus mit riesigem, neu angebautem Keller.
Etwas Stolz schwingt mit, wenn Heiner Sauer erzählt – und Freude! Denn einer der beiden Söhne, Valentin, wird für die Zukunft des Betriebes sorgen – und probiert schon seit einiger Zeit neue Keltermethoden aus. Also, die damit gemeinte ist eigentlich eine sehr alte: Valentin Sauer keltert Weiss- und Grauburgunder-Trauben in Ton-Amphoren, die im Erdreich im neuen Keller eingegraben sind. Diese Weine kommen zu Schluss zusammen mit ihren holzgelagerten Geschwistern in die Flasche. Entsprechend der Lagerung heissen die Weine Holz & Ton und gehören zur Familie Ton-Art.


Zu 80 Prozent baut Heiner Sauer in der Pfalz Weisswein an. Doch in Spanien besitzt er seit 1998 ein weiteres Weingut, Bodegas Palmera, auf dem nur körperreiche, aber elegante Rotweine angebaut werden. Allerdings, so räumt der Weinbauer ein, wird auch in der Pfalz der Rotwein, im Speziellen der Spätburgunder, immer mehr zum Thema – Klimaerwärmung sei Dank. Es regnet nach wie vor viel, doch die Sonnenstunden sind im Vergleich zu früher mehr geworden. Aber auch Frost kommt häufiger vor, und interessanterweise immer an den gleichen Orten. Dieses Phänomen kann bislang niemand erklären.
Ein Winzer, der Essig macht
Aus Wein wird auch Essig – und zwar auf dem Doktorenhof in Venningen, wo Georg Heinrich Wiedemann mit der ganzen Familie ganz besondere Essige herstellt. Der Hof wirkt schon von aussen irgendwie verwunschen, wie einem Märchen entsprungen. Die Gebäude sind dicht von Efeu überwachsen und im Garten sind allerlei Bänke, Stühle, kleine Tische, steinerne Hunde und Windlichter zu entdecken. Neugierig betreten wir den Laden und werden nach der Begrüssung gleich mal in lange braune Mönchskutten mit Kapuze gewandet. Durch eine Holztüre treten wir in den Keller ein, der seinesgleichen sucht!



Die grossen Holzfässer verströmen Essigduft, der die Luft desinfiziert, das Licht des Leuchters ist gedämpft, die Kerzen flackern und leise erklingt gregorianischer Mönchsgesang. Wo bin ich hier?! Umberto Ecos Roman «Der Name der Rose» fällt mir ein. Ich fühle mich schlagartig um Jahrhunderte zurückversetzt.
Während wir durch mehrere Kellergewölbe wandeln, erzählt Georg Wiedemann ganz viel über Essig, die Produktion, seine Wirkung, seine Geschichte… Wir sind völlig fasziniert als wir vor der wie ein Heiligtum behüteten Essigmutter stehen, die bereits Jahrzehnte alt ist. Letzte Station ist die Kräuterkammer, die neben Blüten und Blättern mit Kunstwerken von Georg Wiedemann angereichert ist. Die Besonderheit der Gemälde: sie sind mit Farbpigmenten, Öl und Essig gemalt. Kunst zum Sehen und Riechen quasi.



Mit viel neuem Essigwissen ausgestattet, dürfen wir schliesslich die kostbaren Essige verkosten. Von der Ernte der Traube bis zum Abfüllen in mundgeblasene Flaschen vergehen mindestens vier Jahre, bei vielen Kreationen sind es wesentlich mehr. Dass an diesem besonderen Ort auch besondere Gläser für die Degustation bereitstehen, ist eigentlich klar: Extrem langstielige Gläser mit einem kleinen zylindrischen Behälter nehmen den tröpfchenweise «eingeschenkten» Essig auf.


Essig wird nicht wie Wein verkostet, sondern man lässt den Essig vorsichtig in winzigen Mengen von der Zungenspitze her dem Rand entlang zum Zungenhals laufen. So offenbaren sich die verschiedenen Geschmacksnoten am besten. Doch Vorsicht: Wer einen zu grossen «Schluck» nimmt, riskiert der Säure wegen, einen Hustenanfall zu bekommen. Hier gilt auf jeden Fall: Sauer macht lustig!
Auf der Reichsburg Trifels
Nicht nur lustig, sondern auch spannend und anstrengend ist unser Ausflug auf den Trifels. Die beeindruckende Burg steht auf dem «Gipfel» des Sonnenbergs, einem dreifach gespaltenen Sandsteinfelsen, was den Namen recht gut erklärt: Trifels – dreifacher Fels. Offiziell erstmals erwähnt wird die Burg 1081 in einer Schenkungsurkunde und spätestens ab 1113 war sie als Reichsburg im Besitz der salischen Könige (Adelsherrschaft aus dem 10. Jahrhundert, die am Rhein zwischen Worms und dem heutigen Karlsruhe sowie zwischen Rheingau und Kraichgau angesiedelt war).



Wir tauchen nicht allzu sehr in die Geschichte der Burg ein, aber dass der englische König Richard Löwenherz hier gefangen gehalten wurde, beeindruckt dann doch. Eine Führung wäre hier definitiv angesagt gewesen, aber weil wir an diesem Tag noch weitere Pläne haben, bleibt es bei einer eher oberflächlichen Eroberung der Burg.
Landau – Stadt mit ländlichem Charme
Wir statten auch Landau, der Hauptstadt des Landkreises Südliche Weinstrasse, einen Besuch ab. Die Altstadt erkunden wir auf einer Führung, die aber – Pardon, lieber Guide – etwas sehr langfädig ausfällt. Gut, vielleicht liegt es auch daran, dass wir vom Aufstieg zur Reichsburg Trifels und den unzähligen Treppenstufen innerhalb der Burg ganz einfach müde sind…

Von der Altstadttour in Erinnerung geblieben ist jedenfalls das ehemalige Wohnhaus von Thomas Nast. Der deutsch-amerikanische Illustrator und Karikaturist ist 1840 nahe der Kaserne in Landau zur Welt gekommen. Er wanderte nach Amerika aus und wurde dort berühmt, weil er es vorzüglich verstand, (vor allem für Harper’s Weekly) schwierige Themen verständlich darzustellen. Damit hat er gar die amerikanische Politik beeinflusst. Viele wirkungsvolle amerikanische Symbole und Figuren (wie der Elefant für die Republikanische Partei) gehen auf den Künstler zurück. Ihm ist seit 2015 der Thomas-Nast-Platz bei der Roten Kaserne gewidmet.

Von der Kaserne ist es nicht weit zum Galeerenturm, dem einzigen Turm der Stadtmauer, der erhalten geblieben ist und nun das älteste Gebäude der Stadt darstellt. Seinen Namen hat der ehemalige Gefängnisturm den Sträflingen zu verdanken, die von hier aus auf die Galeeren geschickt wurden.


Noch ein paar Schritte weiter gelangen wir zum «Frank-Loebsches Haus», dem Wohnhaus von Anne Franks Urgrossvater. Im beeindruckenden dreigeschossigen Bau, dessen älteste Teile auf das 15. Jahrhundert hinweisen, finden Ausstellungen statt. Beispielsweise die Dauerausstellung «Juden in Landau – Vom Mittelalter bis zum Holocaust». Daneben gibt es immer wieder Wechselausstellungen zu den Themen Kunst und Kunstgeschichte. Und nicht zu vergessen: die Weinstube Zur Blum gibt es seit dem 17. Jahrhundert!

Das Haus gehört wie auch das Alte Kaufhaus und die Katharinenkapelle zum «Kulturzentrum Altstadt». Wir bestaunen alles nur von aussen und verabschieden uns vom Stadtführer, denn auf uns wartet bereits Anna Köhr in ihrem schmucken Lädchen «Anna’s Landpartie».
Landpartie in der Stadt
Seit neun Jahren führt Anna den Laden in Landau, wo sie lauter einheimische Produkte verkauft, quasi das Land in die Stadt bringt. Die Produzenten von Wein, Gin, Konfitüren, Gebäck, Kräutermischungen und vielem mehr kennt sie alle persönlich. Und weil das so gut funktioniert hat, ist auch der Göttergatte ins Geschäft eingestiegen und führt die Filiale in Speyer.

Es dauert nicht lange, da schaut Philipp Hofmann vorbei, der Gin-Produzent. Wir dürfen seine vier Element-Gins verkosten (alle schmecken gut!) und Anna Köhr reicht uns ihre Eigenkreation, die Gaulsknoddel, zum Probieren. Die feinen Schokoladepralinen erinnern – rein äusserlich! – an Pferdeäpfel und die hängen mit der Landauer-Kutsche zusammen, die in Landau in der Pfalz zum ersten Mal gebaut worden ist – oder sein soll. Die Geschichtsschreiber sind sich da nicht ganz einig. Aber was soll’s?! Der Landauer wird von Pferden gezogen, die hinterlassen ihre «Äpfel» und somit sind Annas Gaulsknoddel ein perfektes, kulinarisches Souvenir.


Unseren abwechslungsreichen Tag beschliessen wir in der Vinothek Par Terre, wo uns – welche Überraschung! – Philipp Hofmann (ja, der mit den Gins!) durch die Weinregion führt. Wohl mehr als 80 Prozent sind hier Weissweine, doch zum Schluss überrascht uns dennoch ein Roter: Cuvée Schwarze Gans vom Weingut Wambsganss in Nussdorf. Der wandert in den Kofferraum…



Picknick auf dem Weinlehrpfad
Wein verkosten ist eins, aber dem Wein beim Wachsen zuschauen bzw. erfahren, wie die Pflanzen gepflegt werden bevor die Früchte zu Wein vergoren und in Flaschen abgefüllt werden, ist das andere. Am Deutschen Tor in Schweigen-Rechtenbach beginnt der 1. Deutsche Weinlehrpfad. Da hat die Südliche Weinstrasse die Nase vorn.

Und damit der so richtig Spass macht und auf den 2,5 Kilometern niemand verhungert oder verdurstet, bestellt man sich am besten beim Weingut Harald Schäffer einen SÜW-Picknickkorb. Oder wirft einen Blick in den Weinautomaten, der auch so einige Leckereien enthält…



Den SÜW-Picknickkorb (s. Infos weiter unten) kann man übrigens auch an anderen Orten beziehen, damit jeder Ausflug zu Wein und Wiesen zur Genusswanderung wird. Der Inhalt unseres Korbes – alles Pfälzer Produkte – hätte übrigens locker für vier Personen gereicht!
Unterhaltsame Lama-Tour
Die Südliche Weinstrasse ist ja nicht nur eine Genussecke, hier lässt es sich auch vorzüglich radeln und wandern. Es warten Burgen wie die Riet- oder eben die Trifelsburg auf Eroberung, doch ganz speziell viel Spass macht eine Tour mit den Lamas von Rudolf Klotz in der Nähe von Annweiler.

Der Lamabesitzer vermittelt viel interessantes Wissen über seine Tiere, die bei ihm so richtig alt werden. Pedro ist bei unserem Besuch stolze 22 Jahre alt (ich meine gelesen zu haben, dass er inzwischen gestorben sei…) – und würde niemals spucken. Lamas tun das sowieso nicht. Sie produzieren nämlich gar keinen Speichel. Doch wenn sie gestresst sind, würgen sie aus dem ersten ihrer drei Mägen einen Speisebrei hervor. Den Rest will man nicht unbedingt erleben… 😂

Pedro und Adele, unsere vierbeinigen Begleiter, verteilen zum Abschied Küsschen – vorausgesetzt, man klemmt sich eine Karottenscheibe zwischen die Lippen. Grund für Gelächter gibt das alleweil – und sorgt für schöne Erinnerungen. An die Lamas und an die südliche Pfalz.


Infos zu Südliche Weinstrasse
ANREISE
Wir sind mit dem PW angereist, denn das ist am praktischsten, insbesondere wenn man den einen oder anderen Wein mit nach Hause nehmen möchte. Mit dem Zug ist Landau natürlich auch erreichbar.
MOBIL VOR ORT
Der Landkreis Südliche Weinstrasse ist gut mit Bahn und Bus erschlossen. Als Inhaber der PfalzCard (wird von teilnehmenden Unterkünften abgegeben) fährt man kostenlos und profitiert von Gratiseintritten bzw. Vergünstigungen.
HOTEL
Weinhotel Fritz Walter
Landauer Strasse 82
DE-76889 Niederhorbach
https://www.fritz-walter.de/
Auf dem bekannten Weingut lässt sich vorzüglich wohnen, wo der Wein daheim ist.



WEINGUT
Weingut und Vinothek Sauer
Ausblickstr. 1
DE-76829 Landau-Nussdorf
https://weingut-sauer.de/
RESTAURANTS
Ritterhof zur Rose
Weinstrasse 6A
DE-76835 Burrweiler
www.ritterhofzurrose.de
Der beliebte Küchenmeister Florian Winter zählt zur Elite der Region und zaubert u. a. typische Gerichte der Pfalz.


Café Ludwig 1*
Theresienstrasse 31
DE-76835 Rhodt unter Rietburg
https://cafe-ludwig-1.de/
In der originellen Ambiance des Cafés schmecken Snacks, Kuchen und Eiscreme grad doppelt so gut.
Par Terre
Vinothek und Restaurant
Georg-Friedrich-Dentzel-Strasse 11
DE-76829 Landau
Tipp: Du findest das Lokal besser, indem Du ins Navi Eutzingerstrasse eingibst. Am Ende der Strasse hat es öffentliche Parkplätze und Du kannst das Lokal zu Fuss über die kleine Brücke erreichen.
https://www.par-terre.de/
Zuerst eine Weinverkostung, dann ein feines Abendessen – so geht ein Tag in der Pfalz genussreich zu Ende.
SEHENSWÜRDIGKEITEN
Weinessiggut Doktorenhof
Raiffeisenstrasse 5
DE-67482 Venningen
https://www.doktorenhof.de/de
Im Essigkeller und in der Kräuterkammer der Familie Wiedemann fühlt man sich um Jahrhunderte in der Zeit zurückversetzt.
Rietburg
Villastrasse 67
DE-67480 Edenkoben
https://rietburgbahn-edenkoben.de/
Mit dem Sessellift geht’s ab Edenkoben auf die Rietburg mit ihrer Höhengaststätte und dem Wildtiergehege.



Reichsburg Trifels
DE-76855 Annweiler am Trifels
https://burgenlandschaft-pfalz.de/burg-trifels
Die Stufen lohnen sich auf jeden Fall, denn die Burg aus dem 11. Jahrhundert ist richtig spannend.
Annas Landpartie
Kugelgartenstrasse 20
DE-76829 Landau
https://annas-landpartie.de/
Wem das kulinarische Souvenir noch fehlt, ist bei Anna Köhr an der richtigen Adresse.
Pfalz-Lamas
ausserhalb von Annweiler am Trifels
https://www.pfalz-lamas.de/
Mit den Lamas auf Tour und gleichzeitig viel Wissenwertes erfahren – und natürlich Spass haben!
1. Deutscher Weinlehrpfad mit SÜW-Picknick
https://www.suedlicheweinstrasse.de/suewpicknick
Den reichlich gefüllten Picknick-Korb gibt es nicht nur am Weinlehrpfad in Schweigen-Rechtenbach, aber dort ist er besonders sinnvoll. Im Weingut Harald Schäffer holen wir unsere Leckereien, die unterwegs auf dem Weinlehrpfad verputzt werden. Picknickplätze sind vorhanden.
NACHTRAG: Im Mai 2025 erweitert die Südliche Weinstrasse ihr Picknickangebot um zwei neue Varianten. Das «SÜW Glücksmomente Picknick» verbindet eine kleine Wanderung mit einem geheimen Picknickplatz. Dort erwartet die Gäste eine Auswahl regionaler Spezialitäten und eine Flasche Wein. Das zweite Angebot, das «SÜW Familienpicknick», bietet kindgerechte Köstlichkeiten für alle Generationen und eignet sich besonders für einen entspannten Familienausflug.
DESTINATIONSINFOS
https://www.suedlicheweinstrasse.de/
© Text: Inge Jucker; Fotos: Heinz Jucker | TravelExperience.ch | 2024 | 2025
Offenlegung: Im Rahmen einer Reportage für die GlücksPost waren wir zu dieser Reise von Südliche Weinstrasse eingeladen.
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