
Wildschönau… Der Name macht schon neugierig. Eine wilde Schöne, eine schöne Wilde oder eine schön wilde Au? Man kann es drehen und wenden wie man will: Dieses Hochtal in den Kitzbüheler Alpen ist ganz einfach mehr als eine Reise wert.
Inhalt
Ein Tal – vier Kirchdörfer
Die Wildschönau ist für mich die schönste Sackgasse der Welt. Von Wörgl und von Hopfengarten im Brixental aus führt je eine Strasse nach Niederau, dem ersten Ort im Hochtal. Weiter geht’s via Oberau nach Auffach, wo wir unseren Ausgangsort haben. Das vierte Dorf, Thierbach, ist etwas abgelegen zwischen Oberau und Auffach zu finden. Der Weg dorthin lohnt sich aber nur schon der hübschen Häuser und der frisch renovierten Kirche wegen. Als wir sie besuchen sind Südtioler Spezialisten gerade mit den letzten Verschönerungsarbeiten beschäftigt.




Von Niederau aus führt eine Gondelbahn aufs Markbachjoch, das wir uns natürlich nicht entgehen lassen. Für eine grössere Wanderung fehlt uns die Zeit, aber das tut dem Vergnügen keinen Abbruch! Wir spazieren zur kleinen Markbachjochkapelle, die auch Kropfraderjochkapelle genannt wird. Was für ein Name…! 1965 wurde sie von Rudolph Schierhackl und Walter Pokorny erbaut und Maria Hilf gewidmet. Ein wunderbarer Flecken da oben am Berg mit toller Aussicht, versteht sich.



In Oberau, genauer: im Ortsteil Mühltal faszinieren uns die alten Holzhäuser die einst eine Sägerei beherbergten. Quasi ums Eck befinden sich die Drechslerei Drehform und das Gasthaus Thalmühle. Beides muss man gesehen haben, denn im Lad’l der Drechslerei findet man bestimmt das eine oder andere Souvenir aus Zirbenholz und im Gasthaus wird man mit Wildschönauer Küche verwöhnt. Breznsuppe zum Beispiel, oder Mühlradltoast… Sooo lecker! Aufgetischt wird in urigen Stuben und es geht hier ganz unkompliziert zu und her. Da kehren wir gerne wieder ein.




In Auffach haben wir unser «Basislager» im Hotel Platzl aufgeschlagen. Von hier aus unternehmen wir unseren Ausflug auf die Schatzbergalm und auch zur Schönangeralm. Auf den Schatzberg geht es mit der Gondel, zur Schönangeralm mit dem Auto oder wahlweise mit der Bummelbahn oder der Pferdekutsche. Ganz klassisch ist natürlich der «Käseweg», der vom Markbachjoch über die Holzalm bis in den Talschluss zur Schönangeralm führt.





Alles Käse oder was?!
In dieser Almwirtschaft schauen wir zunächst in der Schaukäserei bei Chefkäser Johann Schönauer vorbei, der uns gut gelaunt empfängt – obwohl wir so kurz vor dem Mittagessen eher etwas ungelegen kommen. Seine prämierten Käse lässt er uns dennoch verkosten – himmlisch! – und reisst den einen oder anderen Witz.

Im Sommer streiche er über seine Käselaibe, im Winter über bleiche Laibe, die sich im Spa des Hotels Peternhof eine Massage angedeihen lassen. Treffend formuliert! Ich stelle mir vor, dass die grossen Hände von Johann wunderbar massieren können… Die Haut ist vom Käsen jedenfalls zart wie ein Babypopo. Grosses Gelächter in der Runde – und Johann holt den Schnaps hervor. Jetzt ist er so richtig in Fahrt.

Sechs Käsearten stellt Johann her, verkauft aber auch Butter, Würste und Speck von den 24 Bauern, welche bei der Almwirtschaft mitmachen. Sie waren es auch, die die Zirbenkapelle erbaut haben, aus Dankbarkeit, dass es auf der Alm so gut läuft. Schliesslich kehren wir noch im Alpengasthof Schönangeralm ein und lassen uns mit Tiroler Schmankerln verwöhnen.


Mit Kräutern auf Touren
Mit Kräuterwanderführerin Sonja Seisl besuchen wir den Kräuterhof von Birgit Haas. Sie ist zwar gerade am Heuen, aber Sonja kennt sich bestens aus und erklärt uns, was auf dem Hintersalcherhof so alles gedeiht. Die Hochbeete sind aus Lärche gefertigt, weil sie so etwa 20 Jahre halten. Als Dünger wird auch im grossen Kräutergarten nur Steinmehl verwendet. Und, so verrät Sonja, die selber auch Kräuter anpflanzt, würden Kräuter ab 1000 Meter über Meer eine bessere Heilkraft besitzen. Die händische Arbeit sei ebenfalls besser für die Kräuter.



Wir erfahren, dass Wermut die bitterste Pflanze sei, und dass man aus den jungen, im Mai geernteten Trieben einen Wermutwein mache, welcher der Verdauung guttue. Beinwell nützt in Cremen bei Knochen- und Gelenkverletzungen (aber nicht bei Tumoren!), Minzen darf man nicht blühen lassen, damit die Kraft in die Blätter geht, Verbenenöl in Duftlampen hält Insekten fern, Spitzwegerich enthält antibiotische Stoffe und nützt gegen Erkältungen, Brunelle, das Sängerkraut, hilft bei Heiserkeit… Und last but not least: Melissen beruhigen und können am Abend als Tee genossen werden, wohingegen Minzen anregen und am Morgen eine ideale Getränkezutat sind.



Im prächtigen Bauernhaus des Hintersalcherhofes befindet sich der ausgeklügelte Trocknungsschrank und der kleine Kräuterladen von Birgit. Sie sei früher schon belächelt worden wegen ihrer Biokräuter, aber die Zeiten haben sich geändert. Auch Einheimische kaufen hier ein – nicht nur die Gäste, die auf Kräuterführung sind. Was man hier an Kräutern kaufen kann hält etwa ein Jahr, danach kann man sie immer noch als Räuchermischung verwenden. Die Kräuterwanderung findet jeweils dienstags statt und ist für Inhaber der Wildschönau-Card kostenlos. Diese Gästekarte wird im jeweils gebuchten Hotel kostenlos abgegeben. Damit fährt man auch mit den Bergbahnen, kann das Freibad nutzen und allerlei geführte Wanderungen unternehmen – absolut gratis.

Krautinger, wohl bekomm‘ er!
Vom Kultgetränk der Wildschönau, dem Krautinger, heisst es, dass er erst nach dem dritten Stamperl (Gläschen) wirklich schmeckt. Also beim ersten haben wir tatsächlich die Nase gerümpft – sehr eigenwillig… Der Verdauungsschnaps ist ein geschütztes Regionalprodukt, das aus weissen Stoppelrüben (in der Schweiz heissen sie Räben) gebrannt wird. Im Tal der Themenwege haben die Wildschönauer diesem «Geist» ebenfalls einen Weg gewidmet. Einen kunstvollen sogar. Entlang dem Franziskusweg, der von Niederau nach Oberau führt, stehen neun Figuren, die Bildhauer Hubert Flörl zu jeder Strophe des Sonnengesangs aus der Feder des heiligen Franz von Assisi geschaffen hat.


Am Ende des Weges der Besinnung anlangt, ist es nicht mehr weit zum Steinerhof der Familie Thaler. Hier wird der Wildschönauer Krautinger nach alter Tradition gebrannt. Wer sich voranmeldet, kann an einer Führung teilnehmen und natürlich den Schnaps verkosten. Der gilt in der Wildschönau als altbewährtes Volksheilmittel, und man schwört auf «das Wundermittel für den Magen und allerlei andere Wehwehchen». Der Schnaps wird von insgesamt 16 Krautingerbrennern hergestellt, und seit 2005 feiern die Wildschönauer auch jedes Jahr Anfang Oktober die Krautingerwoche. Am Abschlussfest wird dann der «Krautinger des Jahres» gekürt. Ganz nah an einer guten Quelle sind während des ganzen Jahres natürlich die Übernachtungsgäste vom Steinerhof.

Bei Stamperl Nummer 2 sind wir übrigens ausgestiegen. Man muss ja nicht alles mögen… ;-)
Honig und Holz
Nach den drei Ks (Käse, Kräuter und Krautinger) haben wir noch zwei Hs auf Lager: Honig und Holz. Jeweils im Frühling und Herbst geht es auf geführter Wanderung zum Bio-Imker Jakob Hölzl und seiner Frau Veronika auf dem Sonnleitenhof. Den Bauernhof auf 1143 m ü. M. betreiben sie seit 1993. Mit 20 Bienenvölkern haben sie 1995 mit der Imkerei begonnen und 2008 auf bio umgestellt. Heute pflegen sie 50 Völker von denen sie – je nach Wetter – 500 bis 1000 Kilogramm Honig bekommen. Lagebedingt gibt es viel Alpenrosenhonig, eine echte Spezialität, die man ab Hof oder im Bauernladl in Oberau kaufen kann.



In der Wildschönau fallen uns immer wieder die schönen Bauernhäuser auf – auch das vom Imker gehört dazu. Die gepflegten Holzhäuser mit dem prächtigen Blumenschmuck sind schon nah dran am Kitsch, aber hier wirken sie sehr authentisch. Sie gehören ebenfalls zu den gelebten Traditionen des Hochtals. Doch das wohl verrückteste Holzhaus der Wildschönau ist in Auffach zu finden: das 1. Tiroler Holzmuseum des Holzschnitzers Hubert Salcher. Er ist ein wahres Original, irgendwie ein wenig verrückt (natürlich im positiven Sinne gemeint!) und ganz wahnsinnig leidenschaftlich.

Auf dem Holzweg
Hubert erzählt, dass es bis 1970 im Tal nicht einen Beruf gab, der nicht mit Holz zu tun gehabt hätte. Sogar der Ortsname Auffach hat seine Abstammung im Holzgewerbe: Holz «auffachn» bedeutet, das Holz aus dem Fluss auffangen und stapeln. Auf dem Wasserweg war der Holztransport am einfachsten.


So wundert es nicht, dass in Huberts Geburtshaus schon zu Grossvaters Zeiten geschnitzt wurde. Vor 25 Jahren verwandelte er es in ein Museum, an das er inzwischen x-mal angebaut hat. Er selber wohnt mit seiner Familie ebenfalls in diesem Haus, das 376 Fenster und 75 Türen hat, 30 verschiedene Holzböden in 59 Räumen auf 6 Etagen… Und seit kurzem gibt es auch einen Lift. Nein, der ist nicht aus Holz, aber natürlich mit Holz ummantelt.


In diesem alpinen Holzuniversum, das auch mal eine Post, einen Zahnarzt und einen Schuster (nämlich Huberts Vater) beherbergte, kann man sich beinahe verlaufen. Es ist ein «Holzweg» durch die Geschichte des Tals und der Holzschnitzkunst, der allerlei Wissenswertes, Amüsantes, Altes, Originelles und Erstaunliches zeigt – ohne auch nur eine Minute langweilig zu sein.


Was noch?
Uns wird rasch klar, dass drei, vier Tage Widschönau bei weitem nicht ausreichen, um all die spannenden Wege, Höfe, Almen und Spezialitäten zu erkunden. Für die Geschichten, welche die bodenständigen, gastfreundlichen und sehr herzlichen Menschen zu erzählen haben, braucht es auch mehr Zeit. Und erst recht für die sagenhaften Wanderungen. Sagenhaft sind sie übrigens in zweifacher Hinsicht: nämlich sagenhaft schön und mit alten Sagen ausgeschmückt. Wie zum Beispiel der Weg durch die Kundler Klamm, durch die die Wildschönauer Ache rauscht. An der Entstehung der Naturschlucht soll ein Drache beteiligt gewesen sein… Im ganzen Tal erklären grosse Tafeln die «sagenhafte Wildschönau».

Den Heilpflanzen-Lehrpfad möchte ich doch noch erwähnen. Der mit Auenweg ausgeschilderte Rundgang ist etwa einen Kilometer lang und führt durch Niederau. Im Tourismusbüro gibt es eine Broschüre, in der viele Heilpflanzen abgebildet und beschrieben sind.
Last but not least gibt es für uns einen weiteren Grund, nochmals in die Wildschönau zu reisen. Wir haben nämlich den Handwerksmarkt verpasst, der jeweils von Juli bis September immer donnerstags von 12–17 Uhr beim Bergbauernmuseum z’Bach in Oberau stattfindet. Wir hätten dort gerne dem Holzschnitzer, dem Drechsler, dem Schuhmacher, dem Filzer und dem Korbflechter zugeschaut, wie sie mit überlieferten Techniken arbeiten. Auch Goldstickerei, Ranzensticken sowie Glas- und Aquarellmalen sind typisches Kunsthandwerk der Region. Und in der Museumsküche werden zur Mittagszeit schmackhafte Schmalznudeln gebacken… Ja, wir haben wirklich noch viel zu entdecken in dieser wilden schönen Au.

Infos zur Wildschönau
ANREISE
Wir sind mit dem Auto in etwas mehr als vier Stunden reine Fahrzeit angereist. Mit dem ÖBB-Railjet Zürich–Wörgl, von dort mit dem Bus nach Auffach – das ginge auch in 5 ¼ Stunden.
VOR ORT MOBIL
In der Wildschönau ist man mit dem Bus, der Bummelbahn oder dem Bummelzug unterwegs. Oder mit dem eigenen PW.
WILDSCHÖNAU GästeErlebnisCard
Beim Einchecken im Hotel wird jedem Gast die kostenlose Wildschönau-Card ausgehändigt. Damit steigt man in jede Bergbahn, erfrischt sich im Freibad, geht auf eine geführte Wanderung oder besucht das Bergbauernmuseum – alles völlig kostenlos!
HOTEL
Hotel Platzl
Dorf 177
AT-6313 Auffach
www.hotelplatzl.at
Wir finden die Lage des Hotels Platzl ganz praktisch, denn alles Sehenswerte ist von dort aus rasch erreichbar. Unser geräumiges Zimmer ging zwar zur Strasse hinaus, aber das hat nicht gestört. Sooo viel Verkehr hat’s dort nicht, denn die Strasse durch’s Tal ist eine Sackgasse. Die Abendessen waren jeweils sehr schmackhaft und reichlich… Am Frühstücksbüfett mit grosser Auswahl herrschte keine Maskenpflicht, was zu Coronazeiten doch einigermassen erstaunte. Siehe auch unseren Beitrag über Reisen mit Corona.




RESTAURANTS
Gasthaus Thalmühle
Mühltal 7
AT-6311 Oberau
www.thalmuehle.at
In den äusserst gemütlichen Stuben werden Köstlichkeiten wie Brezensuppe, Mühlradl-Toast, Hirtenbrot, Schlutzkrapfen, Thalmühl-Spätzle und vieles mehr aufgetischt. Reservieren!
Gasthof Schatzbergalm
an der Bergstation der Schatzbergbahn, die in Auffach ihre Talstation hat.
www.schatzbergalm.net
Rübezahlhütte
etwas unterhalb der Bergstation der Markbachjoch-Bahn, die im Dorfzentrum von Niederau startet.
www.ruebezahl-huette.at
SEHENSWERT
Haas Kräutergarten
Salcherweg 234/1
AT-6313 Auffach
www.kraeutergarten-haas.at
Schönangeralm mit Schaukäserei
Schönanger 205
AT-6313 Auffach
www.schoenangeralm.at
Steinerhof mit Schaubrennerei
Endfelden 84
AT-6311 Oberau
www.steinerhof.net
1. Tiroler Holzmuseum und Holzschnitzerei
Dorf 148/1
AT-6313 Auffach
www.holzmuseum.com
Bio-Imkerei Sonnleiten
Prädastenweg 298
AT-6313 Auffach
https://bio-imkerei-sonnleitenhof.weebly.com
DESTINATIONSINFOS
Wildschönau Tourismus-Büro
Hauserweg 337
AT-6311 Oberau
www.wildschoenau.com
© Text: Inge Jucker; Fotos: Heinz Jucker | TravelExperience.ch | 2020
Offenlegung: Unbezahlte Werbung
Wir waren für die Berichterstattung in der GlücksPost und in unserem Blog von Wildschönau Tourismus zu dieser Recherchereise eingeladen. Ein grosses Dankeschön an dieser Stelle für die herzliche Gastfreundschaft, die wir in der ganzen Wildschönau geniessen durften.
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