Stürmische See, Polarkreis, traumhafte Landschaften und Nordlichter – damit lässt sich dieser Streckenabschnitt auf unserer Reise mit dem Postschiff MS Vesterålen am kürzesten beschreiben.
Bodo, Leuchtturm, Sonnenuntergang
Kurz nach Bodø erleben wir diese zauberhafte Abendstimmung. Perfekt für einen Sundowner!

Wir haben Trondheim verlassen, und die Reise geht auf offener See weiter nach Rørvik. Diese Strecke heisst Folda und wir haben es uns im Trollfjorden-Salon auf Deck E mit einem Glas Wein und Krimis bequem gemacht. Und so haben wir gar nicht wahrgenommen, dass es draussen stürmt. Erst als der Wellengang immer stärker wird, realisieren wir, dass wir durch ein veritables Unwetter fahren.

Ein paar Decks runter zu gehen, wo das Schaukeln des Schiffes weniger spürbar wäre, kommt nicht mehr in Frage. Denn ein Sturz wäre so überflüssig wie ein Loch im Kopf. Also harren wir der Dinge und hoffen, dass unsere Mägen das mitmachen. Der wetterallwissende Ventusky.com meldet sieben bis acht Meter hohe Wellen – ja, genau so fühlt es sich an! 18 Uhr ist vorbei und ein Deck tiefer geht der erste Abendessendurchgang los. Ob viele Passagiere hungrig sind? Die Vorstellung, dass wir um 20 Uhr mit Abendessen dran sind, lässt mich Stossgebete zum Himmel schicken.

Am Polarkreis

Den Blick auf den Monitor im Salon fixiert, warten wir, bis wir die offene See verlassen. Und oh Wunder, meine Gebete wurden erhört: Kurz vor unserem Abendessen beruhigt sich die Lage und schon bald erreichen wir den sicheren Hafen von Rørvik. Die überall in Windeseile aufgehängten Spucktüten werden wieder eingesammelt.

Postschiff, Hurtigruten
Ob Reste vom Sturm oder einfach ein bewölkter Himmel? Egal, die Landschaft ist hier eine Augenweide.

Da wir uns langsam dem Polarkreis nähern, findet ein Wettbewerb statt: Wer schätzt die richtige Uhrzeit beim Überqueren des Polarkreises? Dazu gibt es noch etwas Detailinformationen: Er ist 1600 Kilometer lang und geht durch acht verschiedene Länder.

MS Vesteralen, Polarkreiszeremonie
König Neptun auf Eiswürfeltour: Mit Wonne schöpft er willigen Passagieren eine Keller voll Eiswürfel in den Kragen.

Während wir den Polarkreis um 7:22 Uhr überqueren, ist es draussen noch dunkel und wir schälen uns gerade aus unseren Kojen. Der berühmt-berüchtigten Polarkreiszeremonie wohnen wir dann nur als Beobachter bei. Ich lasse mir doch keine Eiswürfel den Rücken runterschütten, nur damit ich nachher einen Schnaps bekomme… Den Neptun finde ich ziemlich «gfürchig». Aber den Leuten macht’s Spass. Und das ist ja die Hauptsache!

Hier kommentarlos ein paar Eindrücke von der Landschaft südlich von Bodø:

Postschiffreise, Hurtigruten
Postschiffreise, Hurtigruten
Postschiffreise, Hurtigruten

Die Strecke nach Bodø ist landschaftlich schön abwechslungsreich. Mal lugt die Sonne zwischen den Wolken durch, dann reisst es richtig auf und endlich sehen wir den ersten Schnee. Es ist jetzt auch etwas kühler draussen und wir ziehen uns für den Bodø-Stadtrundgang warm an.

Postschiffreise, Hurtigruten, Leuchtturm
Keine Ahnung, wie viele Leuchttürme und -türmchen wir unterwegs gesehen haben. Dieser hier steht irgendwo kurz vor Bodø.
MS Vesteralen, Bodo
Die MS Vesterålen wartet im Hafen von Bodø, während wir die Stadt erkunden.

Bodø mit viel Street Art

Bodø ist die Hauptstadt von Nordland. Hier ist auch der Sitz des Militäroberkommandos von Nordnorwegen. Im 2. Weltkrieg wurde mehr als die Hälfte der Häuser bei einem Bombardement zerstört. Der Wiederaufbau war nüchtern in Stein und Beton. Sogar die basilikaartige Kirche von Bodø ist aus Beton. Bei ihrem Aufbau ab 1954 hat sich auch die Bevölkerung beteiligt, ausserdem wurden neue und moderne Baumethoden angewandt, die ein derart grosses Gebäude ohne Säulen im 56 Meter langen Kirchenraum ermöglichten.

Eine Anekdote bezüglich der gar nicht traditionellen Architektur geht so: Jemand soll einst gesagt haben, die Kirche sehe aus wie ein Kraftwerk. Der Dekan antwortete: «Ja, genau das soll es sein.»

Bodo, Kirche
Kirche oder Dom – das Gebäude wurde nach dem 2. Weltkrieg in Beton gegossen.

Idylle ist in Bodø nicht zu entdecken, aber vielleicht ist das auch dem trüben Wetter geschuldet. Immerhin versuchen Street-Art-Künstler mit farbenfrohen Hauswänden der zeitweiligen Tristesse zu begegnen. Doch es gibt auch düstere Bilder.

Bodo, Steetart, Mural
Eine farbenfrohe und liebenswerte Zeichnung auf einem der Häuser in Bodø.
Bodo, Streetart, Mural
Kunstvoll: Eine ganze Hauswand ist prächtig verziert.

Für Bodø muss man nicht sehr viel Zeit einrechnen, denn im Winter gibt es wirklich nicht so viel zu sehen. Aber sich bei einem Rundgang die Beine zu vertreten, kann auf keinen Fall schaden. Man hätte, von Hurtigruten organisiert, eine arktische Küstenwanderung unternehmen können, aber es haben sich wohl nicht genügend Teilnehmer gefunden.

Nordlichter – hurraaa!!!

Wir fahren vier Stunden auf offener See und überqueren den Vestfjord. Schliesslich erreichen wir um 19 Uhr Stamsund, wo wir zwar keine Zeit zum Aussteigen haben, aber von einem wunderschönen Nordlicht überrascht werden. An die Kameras, fertig, los! Aber es ist gar nicht so einfach, auf dem leicht schwankenden Schiff einigermassen scharfe Bilder hinzubekommen. Aber egal: Hauptsache Nordlichter! Wir sind alle hin und weg…

Stamsund, Nordlicht
Nordlichter in Stamsund – welch ein Anblick!
Stamsund, Nordlicht
Stamsund, Nordlicht

Nach dem Abendessen legen wir in Svolvær an. Es gäbe einen organisierten Ausflug zur Lofotpils Bierbrauerei, aber wir ziehen es vor, in unseren Krimis zu lesen, bis die Fahrt weiter geht und wir die Grenze zwischen Vesterålen und den Lofoten queren. Viele Gäste haben sich inzwischen zurückgezogen und verpassen den spektakulären Trollfjord. Er ist zwei Kilometer lang aber an einigen Orten nur 100 Meter breit. Befahren können wir ihn nicht, denn im Winter herrscht dort Lawinengefahr. Aber die Crew beleuchtet für uns die steilen Felswände. Gespenstisch schön!

Schnee und null Hektik

Am nächsten Morgen erwachen wir in einer veränderten Welt: Schnee! Es hat über Nacht geschneit und auf dem Sonnendeck reicht es sogar für einen Schneemann, mit dem unser Reiseführer Svein Kjenner fürs Foto posiert. Dieser äusserst sympathische Mensch hat immer die Ruhe weg. Wir treffen ihn in einer ruhigen Minute und er erzählt aus seinem Berufsleben.

MS Vesteralen, Svein Kjenner
Reiseführer Svein Kjenner posiert mit dem Schneemann auf dem Sonnendeck. © Team Vesterålen
MS Vesteralen, Svein Kjenner
Svein Kjenner in seinem «Büro». Hier entstehen die ganzen Unterlagen, die während der Reise verteilt werden und auch das Logbuch, das man sich personalisiert bestellen kann.

Der Norweger ist seit 2005 auf verschiedenen Schiffen unterwegs gewesen, aber am liebsten mag er die MS Lofoten und die MS Vesterålen. Weil es auf diesen Schiffen kaum Hektik gibt und immer eine gute Atmosphäre herrscht. «Die Leute haben auf diesen älteren Schiffen nicht so hohe Erwartungen», bringt er es auf den Punkt. Und im Winter sei sowieso alles viel entspannter, weil weniger Tagesgäste und Busse an Bord kommen. Svein ist auch für die gedruckten Tagesprogramme zuständig. 1800 Seiten Papier verbraucht er so auf einer 12-tägigen Rundreise!

Norwegische Küste
Zwischendurch hat Svein Kjenner Zeit zum Fotografieren – welch schöner Schnappschuss… © Svein Kjenner
Harstad, Norwegen
Harstad zeigt sich im neuen Winterkleid.
Harstad, MS Richard With
In Harstad kreuzen wir das Postschiff MS Richard With.

Wir erreichen die Ginsundsbrücke und Finnsnes, das Wetter ist garstig, aber wir freuen uns schon auf das Wiedersehen mit Tromsø!

Zur Fortsetzung.

Finnsnes
Finnsnes spiegelt sich im kalten Wasser, das von kleinen Eisstücken durchzogen wird.
Gisundbrücke
In elegantem Bogen schwingt sich die Gisundbrücke über die gleichnamige Meerenge.
Postschiffreise, Hurtigruten, Kartenausschnitt

Infos zur Postschiffreise mit Hurtigruten

Alle Informationen haben wir auf einer eigenen Seite zusammengefasst.
>>>> Hier geht’s zur Infoseite

© Text: Inge Jucker; Fotos: Heinz Jucker | TravelExperience.ch | 2020

Offenlegung: Im Rahmen einer Reportage fürs Bucketlist Magazin waren wir von Glur Reisen zu dieser Recherchereise eingeladen. An dieser Stelle ein grosses Dankeschön!

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