
Gitarrenklänge und zwei Männerstimmen erklingen zu Weihnachten 1818 in der St. Nikola-Kirche in Oberndorf, weil die Orgel defekt ist. «Stille Nacht! Heilige Nacht!» erfüllt die Luft und wohl auch die Herzen der Kirchgänger, die damals in Armut leben und Hunger leiden müssen. Dieses Weihnachtslied, von Joseph Mohr getextet und von Franz Xaver Gruber vertont, verbreitet Trost und Hoffnung in schwierigen Zeiten. Auch heute noch. Doch wie kommt es, dass es auf der ganzen Welt so berühmt und in 300 Sprachen übersetzt wurde? Wir haben es auf unserer Stille-Nacht-Reise herausgefunden.
Inhalt
Auf den Spuren von Franz Xaver Gruber
Für uns beginnt die Reise nicht in Oberndorf, sondern in Hochburg-Ach in Oberösterreich, nahe der deutschen Grenze. Dort steht nämlich das Franz-Xaver-Gruber-Gedächtnishaus. Das ursprüngliche Geburtshaus ist zerstört worden, aber in Stil, Form und Alter entspricht das heutige Museum weitgehend dem Original. Hans Schwarzmayr führt uns durchs Haus und dank seiner Erzählungen können wir uns besser vorstellen, wie armselig das Leben damals gewesen sein muss.

Vater Gruber, ein Leinenweber, hat Franz Xaver verboten, Orgelunterricht zu nehmen. Er nimmt ihn heimlich trotzdem und ist sehr erfolgreich mit seinem Orgelspiel. Als er eines Tages für den erkrankten Kirchenorganist einspringen muss, fliegt alles auf. Der Vater soll aber nicht allzu lange gegrollt haben.

Gruber darf nun als 17-Jähriger offiziell gleich ennet der Grenze, im deutschen Burghausen, Musikunterricht nehmen. Schliesslich bekommt er mit der Lehramtsprüfung in der Tasche 1807 eine Anstellung als Lehrer in Arnsdorf – unter der Bedingung, dass er die Witwe seines Vorgängers heirate. So muss die Gemeinde nicht mehr für die Frau sorgen…

Diese, 13 Jahre älter als Gruber, bringt zwei Kinder mit in die Ehe und zusammen schenken sie weiteren zwei Kindern das Leben. Er ist anpassungsfähig, die Ehe erfolgreich und offenbar ganz glücklich. Grubers Lehrerlohn ist jedoch etwas dürftig, weshalb er sich nach weiteren Verdienstmöglichkeiten umsieht. In Oberndorf kann er schliesslich als Lehrer UND Organist wirken.

Friedensweg Seelentium
Wir tauchen aus Grubers Geschichte wieder auf – in einen verregneten Tag hinein. Statt den Franz-Xaver-Gruber-Friedensweg Seelentium, der ganz in der Nähe des Gedächtnishauses beginnt, gemütlich und besinnlich zu begehen, besuchen wir mit dem Auto nur ein paar der sieben Stationen.

Sie zeichnen sich durch die vom Bildhauer Hubert J. Flörl geschaffenen Skulpturen aus, die sehr schön in die Landschaft von Hochburg eingebettet sind. Der Weg ist bei schönem Wetter unbedingt den etwa einstündigen Spaziergang wert.


Auf den Spurern von Joseph Mohr
Der Salzburger Joseph Mohr, uneheliches Kind einer Strickerin, kommt als Hilfspriester nach Oberndorf. Er ist bei der Bevölkerung sehr beliebt. Weil er unten im Dorf leben und im Wirtshaus essen muss und so täglich mit Normalsterblichen und armen Schiffern zusammen sitzt, fällt er als (zu) volksnaher Pfarrer bei den Dorf- und Kirchenoberen in Ungnade. Er wird ein Opfer übler Nachrede. Aber Gruber mag Mohr – sie werden Freunde.
Als im Jahr 1816 der Himmel wegen des Ausbruchs des indonesischen Vulkans Tambora verdunkelt bleibt – man spricht vom «Jahr ohne Sommer» – sorgen Missernten für Hunger in der Bevölkerung. In dieser Not schreibt Mohr ein Gedicht. Zwei Jahre später überreicht er es seinem Freund Gruber und bittet ihn, es zu vertonen. Was folgt, ist quasi die Geburtsstunde von «Stille Nacht! Heilige Nacht!», das an Weihnachten 1818 zur Uraufführung gelangt.
Das Lied geht um die Welt
Der Tiroler Orgelbauer Carl Mauracher, der die Oberndorfer Orgel zu reparieren hat, nimmt das Notenblatt mit ins Zillertal, wo es in den Händen der musikalischen Sängerfamilien Rainer und Strasser landet. Das Lied findet im Zillertal rasch Eingang ins weihnachtliche Gesangsrepertoire. Dass es weltberühmt wird, liegt daran, dass auch im Tirol die Menschen nur ein karges Einkommen finden. Die vier Strasser-Geschwister Anna, Joseph, Amalia und Karolina machen sich als Handelsreisende auf nach Deutschland. Am Weihnachtsmarkt in Leipzig verkaufen sie an ihrem Stand feine Lederhandschuhe und singen Tiroler Weihnachtslieder, darunter «Stille Nacht! Heilige Nacht!». Weil sie mit ihrem Gesang erfolgreich sind, geben sie bald darauf mehr Konzerte und handeln nur noch am Rande.

Wir sind inzwischen auch ins Zillertal in Tirol gereist und besuchen dort das Geburtshaus der Strasser-Geschwister. Rosi Kraft, die heutige Besitzerin des Strasser Häusl in Hippach führt uns durch ihr Reich bzw. jenes der Sängerfamilie.

Es ist bis unters Dach voller Einzelstücke, die Rosi selber gesammelt hat. Das Haus ist ihr von der Gemeinde «angedreht» worden, wie sie sich salopp ausdrückt, und weil sie als Rentnerin nicht einsam sein will, macht sie nun diese Führungen.

Die Geschwister Rainer aus Fügen sind es jedoch, die das Lied noch weiter in die Welt hinaus tragen. Maria, Felix, Franz und Joseph geben als «Ur-Rainer» Konzerte an edlen Fürstenhöfen in ganz Europa. In England werden sie von König George IV als «Royal Singers» geadelt. Zar Alexander I. lädt sie gar persönlich nach Russland ein, doch die Reise kommt nie zustande. 1839 treten die Ur-Rainer letztmals öffentlich auf.

In Fügen besuchen wir das Heimatmuseums in der Widumspfiste, in dem die wohl grösste Stille-Nacht-Schallplattensammlung untergebracht ist. Auf das 200-Jahre-Jubiläum hin, hat man auch eine entsprechende Ausstellung eingerichtet. Im Schloss Fügen lohnt sich ausserdem die Ausstellung «Stille Nacht und der Klang der Alpen», die ebenfalls aufs Jubiläum hin mit viel Leidenschaft und Humor realisiert wurde. Sie ist noch bis 3. Februar 2019 zu sehen.

Die Tradition geht weiter…
Marias unehelicher Sohn, Ludwig Rainer, ist es dann aber, der die Familientradition aufrecht erhält und das Lied mit dem Gesangsquartett «Rainer Family», bestehend aus Cousine Helene Rainer, Margarethe Sprenger und Simon Holaus bis nach Amerika und Asien verbreitet. Am Anfang, in New York, erlebt die Sängergruppe schwierige Zeiten. Die USA-Tournee dauert bis 1843 in wechselnder Besetzung. Eine Zeit lang hat sogar ein irischer Bub mitgemacht, der kurzerhand in Frauenkleidung gesteckt wurde. Bis zum Stimmbruch geht das gut…
Im Theater Steudltenn in Uderns wohnen wir dem Stück «Die stillen Nächte des Ludwig Rainer» bei. Hier wird all das, was wir unterwegs über die Macher und Verbreiter von «Stille Nacht! Heilige Nacht!» gehört haben, irgendwie lebendig. Wir tauchen ein in die Zeit von 1839 bis 1843 – musikalisch und geschichtlich – und alle Puzzleteile setzen sich zu einem Bild zusammen.

Als Ludwig Rainer schliesslich ins Tirol zurückkehrt, lässt er am Achensee das Hotel Seehof errichten, wo das Tiroler Liedgut stets gepflegt wird. Für Hochzeiten – und vielleicht auch aus Bequemlichkeit – lässt er eine Kapelle in der Nähe des Hotels bauen. Böse Zungen behaupten, der sonntägliche Weg in die Pfarrkirche Achenkirch sei ihm zu weit gewesen… 1893 stirbt Ludwig Rainer und wird in Achenkirch beigesetzt.



Das Hotel ist irgendwann abgebrannt, aber die Seehofkapelle steht noch. Auf dem Friedhof von Achenkirch besuchen wir das Grab gleich rechts neben der Friedhofstüre. Und quasi gegenüber, im Posthotel Achenkirch, ist eine Stube dem schillernden Nationalsänger gewidmet. Auch das Heimatmuseum Sixenhof beschäftigt sich zum Jubiläum mit dem Thema «Stille Nacht! Heilige Nacht!».

Während das Lied die Reise um die Welt antritt, stirbt Joseph Mohr, «der Priester der Armen», 1848 an einer Lungenlähmung und wird in Wagrain, südlich von Salzburg, beerdigt. Franz Xaver Gruber kann hingegen die ersten Erfolge noch miterleben. Er stirbt 1863 an Altersschwäche in Hallein, wo er auch beerdigt ist.
Aber das Lied lebt weiter! Jahr für Jahr wird es gesungen – ein Weihnachtsfest geht einfach nicht ohne «Stille Nacht! Heilige Nacht!». Wer mitsingen will, findet alle sechs Strophen in ein weihnachtliches Dokument verpackt, das zum Download bereitsteht (siehe Linksammlung weiter unten).
Spezieller Übernachtungstipp

Wer diese Stille-Nacht-Pilgerreise unternimmt, sollte unbedingt im Stift Reichersberg im gleichnamigen Ort übernachten und sich von Markus Grasl, dem jüngsten Probst Österreichs, auf eine Klosterführung mitnehmen lassen. Das Stift hat zwar nichts mit Stille Nacht zu tun, ist aber ganz sicher die passendste Unterkunft in der Nähe von Hochburg-Ach.
Alle Infos und Adressen zur Stille-Nacht-Reise
…haben wir auf einer separaten Seite zusammengetragen:
>>> hier geht’s zur Info-Seite «Stille Nacht! Heilige Nacht!»
>>> alle «Stille Nacht! Heilige Nacht!»-Infos als PDF-Download
>>> Liedtext «Stille Nacht! Heilige Nacht!» als PDF
© Text & Fotos: Inge Jucker | Travel-Experience.ch
Offenlegung: Diese Reise erfolgte auf Einladung von Österreich Werbung, Oberösterreich und Tirol
Ganzer Liedtext «Stille Nacht! Heilige Nacht!»
Üblicherweise werden nur die Strophen 1, 2 und 6 gesungen.
1. Strophe
Stille Nacht! Heilige Nacht!
Alles schläft, einsam wacht
Nur das traute hochheilige Paar.
Holder Knabe im lockigen Haar,
Schlaf in himmlischer Ruh!
Schlaf in himmlischer Ruh!
2. Strophe
Stille Nacht! Heilige Nacht!
Gottes Sohn, o wie lacht
Lieb aus deinem göttlichen Mund,
Da uns schlägt die rettende Stund‘.
Christ, in deiner Geburt!
Christ, in deiner Geburt!
3. Strophe
Stille Nacht! Heilige Nacht!
Die der Welt Heil gebracht,
Aus des Himmels goldenen Höh’n
Uns der Gnaden Fülle lässt seh’n
Jesus, in Menschengestalt,
Jesus, in Menschengestalt
4. Strophe
Stille Nacht! Heilige Nacht!
Wo sich heute alle Macht
Väterlicher Liebe ergoss
Und als Bruder huldvoll umschloss.
Jesus, die Völker der Welt,
Jesus, die Völker der Welt.
5. Strophe
Stille Nacht! Heilige Nacht!
Lange schon uns bedacht,
Als der Herr vom Grimme befreit,
In der Väter urgrauer Zeit
Aller Welt Schonung verhiess,
Aller Welt Schonung verhiess.
6. Strophe
Stille Nacht! Heilige Nacht!
Hirten erst kundgemacht
Durch der Engel Halleluja,
Tönt es laut von ferne und nah:
Christus, der Retter, ist da!
Christus, der Retter ist da!
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