
Der goldene Herbst dauert an der Montreux-Riviera länger als an manch anderen Orten und vermag jeden zu bezaubern. Doch wer sich lieber jetzt schon auf den nächsten Frühling freut, der wird mit unserem Beitrag erst recht glücklich. So oder so ist Montreux ja immer eine Reise wert.
Wir haben uns auf den Weg durchs Weinbaugebiet sowie der berühmten Promenade entlang gemacht und sind von den starken Frauen, die wir rund um Montreux besucht haben, ganz begeistert.
Inhalt
Kleine, feine Cave Joly
In Grandvaux mitten in den UNESCO-Welterbe-Weinbergen besuchen wir die «Landfrau» Aurélia Joly, die gleichzeitig Winzersgattin und einfallsreiche Managerin ist. 2019 hat sie in der «Landfrauenküche» von «SRF bi de Lüt» erfolgreich mitgewirkt und Einblicke in ihren Alltag gegeben. Die Mutter zweier Kinder betreibt seit 2012 zusammen mit ihrem Mann Jacques den eigenen, drei Hektaren grossen Weinbaubetrieb. Weil sie neu starten konnten, mussten sie nicht auf alte Familientraditionen Rücksicht nehmen.


Die Besichtigung der Cave Joly ist eine kurze Angelegenheit, denn im winzigen Weinkeller des Winzerhauses ist unheimlich wenig Platz vorhanden. Doch Aurélia findet, man müsse sich halt einfach organisieren. Immerhin sind es 18 Produkte, die sie derzeit herstellen und in jährlich etwa 25 000 Flaschen abfüllen. Von Hand, versteht sich.
Wegen der beengten Verhältnisse, wird im Keller jeder Quadratzentimeter als Lager benutzt. Sogar die alte Presse muss als Ablage herhalten. Und wenn der Absatz mal ins Stocken gerät, weil beispielsweise virusbedingt keine Messen stattfinden, wird’s kritisch. Kommt dazu, dass die Waadtländer – ganz im Gegensatz zu den Deutschschweizern – eine besondere Eigenart pflegen: Sie warten ungeduldig auf den neuen Jahrgang des Chasselas, der im Frühling abgefüllt wird. Kaum ist er in den Flaschen, kaufen sie nur noch diesen. Der vorangehende Jahrgang ist dann völlig uninteressant, gerade so, als wäre er nicht mehr geniessbar… Was natürlich nicht stimmt!


Aus diesem Grund hat sich Aurelia Joly etwas einfallen lassen: Zwei ihrer beliebtesten Rezepte – Chasselas-Suppe und Tarte au Chasselas – liess sie auf Geschenkkartons für Flaschen drucken. «Egal, welcher Jahrgang in der Packung steckt – das Ergebnis der Gerichte ist eine Entdeckung», sagt Aurelia mit verschmitztem Lächeln. Et voilà: Schon haben wir ein echtes, neues Waadtländer Produkt!
Wer den Wein der Familie Joly vor Ort degustieren möchte, sollte sich vorher anmelden oder der Besenbeiz einen Besuch abstatten. Sie verfügt neu über eine Terrasse mit herrlichem Blick auf den Genfersee. Die Öffnungszeiten sind der Homepage (s. Infos) zu entnehmen.
Alte Schmiede in junger Hand von Bertille Laguet
Als wir in Chexbres die Schmiedewerkstatt von Bertille Laguet betreten, müssen sich unsere Augen erst an die dunkle Atmosphäre gewöhnen. Irgendwie fühlt man sich ins Mittelalter versetzt. Nur das Feuer in der Esse leuchtet – und die blauen Augen der jungen Schmiedin, die uns freundlich begrüsst und ihr Reich vorstellt. In der 1906 gegründeten Schmiede war man ursprünglich auf das Beschlagen von Pferdehufen spezialisiert. Erst später wurde das Sortiment ausgeweitet. Bertille hat hier 2010 angefangen zu arbeiten, und als der Patron altershalber nach einer Nachfolge gesucht hat, konnte sie nicht widerstehen. Als Designerin und Produzentin hat sie hier ihr Paradies gefunden.



Gerade arbeitet sie an einem Treppengeländer und versucht Traditionelles mit Neuem zu verknüpfen. Sie hat auch schon uralte Nasenschilder originalgetreu nachgeschmiedet, wie jenes des Hôtel du Raisin. Das alte, verwitterte Schild hängt noch in der Werkstatt, das neue prangt am Hotel in Cully. Für das berühmte Fête des Vignerons 2019 hat sie ebenfalls zum Hammer gegriffen und Kronenverzierungen hergestellt.


Immer mal wieder probiert sie mittelalterliche Rezepte aus, beispielsweise was die Farben anbelangt. Doch auch moderne Techniken reizen sie. Von einem selbstentworfenen, stilistisch sehr vereinfachten Karottenkraut hat sie mit einem Metall-3-D-Drucker Miniaturen herstellen lassen, die derart verkleinert als Apéro-Sticks dienen können. Vorzugsweise natürlich in kleine Karotten gesteckt.


Weil das doch schwere Gerät in der Werkstatt die Kräfte der zierlichen Schmiedin überfordert, hat sie alles auf sich angepasst. Schwere Werkzeuge und Maschinen rollen jetzt auf Rädern und die sechs Meter langen, schweren Metallstangen im Lager hat sie kurzerhand halbiert, so dass sie sie tragen kann.
Als Designerin hat sie auch rasch gemerkt, dass es viel einfacher und schneller geht, ein Stück gleich selber zu machen, als es herstellen zu lassen. Das Hin und Her im Austausch mit dem Produzenten ist in ihren Augen nur verlorene Zeit. Für sie ist zudem wichtig, dass sie sich selbst treu sein kann. Eine starke Frau, die eine gelassene, in sich ruhende Selbstsicherheit ausstrahlt, die wohl nur ein Mensch haben kann, der genau weiss, was er will. Und was er kann. Diese Erkenntnisse, sagt Bertille, hätten viel in ihrem Leben verändert.
Das Blumenparadies der Montreux-Riviera
Für uns steht ebenfalls eine Veränderung an: Die berühmte Promenade von Montreux, die sich von Clarens bis zum Schloss Chillon erstreckt, wartet auf uns. Wir logieren im – rein äusserlich – als Bausünde zu bezeichnenden, aber von der direkten Uferlage her unübertroffenen Eurotel. Von hier aus unternehmen wir unterschiedlich lange Spaziergänge, die uns von einer Blume zu anderen und von einem Kunstwerk zum nächsten die Promenade hinauf und hinunter führen.


Mal möchte man mit dem Jungen auf der Leiter, eine Biennale-Skulptur, nach den Sternen greifen oder vor der Freddie-Mercury-Statue stehend, seine Musik über Kopfhörer geniessen. Bewundernswert ist aber vor allem die Arbeit der etwa 40 Stadtgärtner, welche die Promenade dreimal im Jahr neu bepflanzen. Wenn wir nicht gerade zur Mittagszeit an einer Restaurantterrasse vorbeischlendern, werden wir von herrlichen Blumendüften begleitet.


Das Narzissenmeer
Auch rund um Glion, das mit der Standseilbahn von Territet aus erreichbar ist, kann man der Nase nach spazieren. Bei der Bergstation beginnt einer der Narzissen-Rundwege, der gut ausgeschildert ist. In der Broschüre des Narzissen-Vereins sind übrigens weitere Rundwege beschrieben. Im Mai, manchmal schon Ende April, blühen hier die wilden Narzissen und bilden einen weissen, vergänglichen Teppich, der auch Maischnee genannt wird. Wann sie blühen, ist auf einer speziellen Narzissen-Homepage nachzusehen (s. Infos). Es wachsen hier übrigens nur zwei Narzissenarten, die aber sehr ähnlich aussehen: Die eine hat eher runde Blütenblätter, die andere lange, schmale.

Leider ist das Blumenspektakel in Gefahr, denn seit den 1960er-Jahren nimmt der Bestand stetig ab. Einige Bauern kümmern sich nicht um ihren Blumenschatz auf der Wiese und mähen viel zu früh, damit die Kühe weiden können. Frisst eine Kuh nämlich Narzissen, so wird die Milch ungeniessbar. Zudem veranstalten gedankenlose Touristen Picknicks und legen sich mitten ins Blütenmeer, um Selfies zu schiessen. Das vertragen die zarten Blumen nicht. Erst recht nicht, wenn sie samt Blättern gepflückt oder die Zwiebeln beschädigt werden. Am besten kauft man sich an einem der Stände am Strassenrand ein Sträusschen, das von den Landwirten fachgerecht gepflückt worden ist.

Dieses Jahr waren die Narzissen wetterbedingt etwas später dran und wir brauchten die Hilfe von Spezialisten, die wissen, wo schon Maischnee zu finden ist. Dank dem ehemaligen Oberförster Marcel Lacroix, der jede noch so kleine Narzissenwiese in der Region kennt, und Rachel Soydan vom Narzissen-Verein kommen wir doch noch in den Genuss dieses Naturereignisses. Einfach im kleineren Rahmen.

Und als Überraschung gibt es für uns tatsächlich auch ein Picknick, aber selbstverständlich am Wegesrand! Marcel tischt auf der Heckklappe seines Pickups Waadtländer Käse und Wein auf. Ein Prost auf den Narzissenschutz, damit das Naturereignis noch lange Zeit bewundert werden kann!
Ausflugstipps bei Regenwetter findest Du im separaten Beitrag Montreux: Regenwetter-Ausflugstipps
Infos zu Montreux und den Ausflugszielen
Weil es so viele Informationen, Tipps und Adressen sind, haben wir sie im Beitrag Infos zu Montreux Riviera zusammengefasst.
© Text: Inge Jucker; Fotos: Heinz Jucker | TravelExperience.ch | 2021
Offenlegung: Im Rahmen der Reportage, die im Frühling 2021 in der GlücksPost veröffentlicht worden ist, waren wir von Montreux-Riviera eingeladen.
Toller Beitrag!
Wenn ich diese Bilder sehe, werde ich ganz nostalgisch. Nach meinem Abi im Jahr 2017 habe ich einen Sprachaufenthalt in den westlichen Teil der Schweiz gemacht, um mein Französisch zu verbessern und die Schweiz mal kennenzulernen. Als ich dann dort war, habe ich mich in die Landschaft und den Genfer See verliebt. Wenn ich daran zurückdenke, wie ich mit den Leuten aus meiner Sprachreise-Gruppe (mit einigen habe ich immer noch Kontakt) an der Promenade herumlief und den betörenden Duft der Blumen wahrnahm, wird mir ganz warm ums Herz. Zudem sind die Leute vor Ort auch sehr freundlich und offen. Zurückblickend war Montreux eine der schönsten Reisedestinationen meines Lebens. Deswegen kann ich jedem nur ans Herz legen, Montreux zu besuchen, ob als Sprachreise oder auf eigene Faust.
LG David
Lieber David,
zunächst ein grosses Dankeschön für Dein Kompliment. 😍 Ich kann Dich so gut verstehen, Montreux ist ganz einfach zauberhaft! Vielleicht solltest Du mal wieder Ferien am Genfersee einplanen…? 😉
Schönen Tag noch und sonnige Grüsse
Inge