
Der Schnee glitzert im Kegel des Scheinwerferlichtes als hätte jemand Diamantenstaub ausgeschüttet. Die Augen werden gross und grösser: Das ist ja wie im Märchen! Nur das Tempo, das der Fahrer anschlägt, ist mir nicht ganz geheuer. Die Strasse ist doch schneebedeckt! Doch wie ich schnell merke, sind wohl die meisten Finnen kleine Räikkönens. Mein Chauffeur beherrscht glücklicherweise die winterlichen Verhältnisse und bringt mich sicher vom Flughafen Kittilä zur Lodge.
Inhalt
Faszinierendes Farbenspiel
Wer noch nie im Winter im Norden war, nimmt gemeinhin an, dass die Tage monatelang stockdunkel und unfreundlich eisig sind – und irrt sich gewaltig. Neugierig starte ich in den nächsten Tag. Das Aufwachen und das Frühstück dauern lange, denn erst gegen zehn Uhr verändert sich draussen das Licht. In die noch unterbelichteten, neblig grauen Bilder schleicht sich Farbe hinein. Von Gelb über Rosa bis Violett und Dunkelblau… Es wird nie richtig hell, bleibt aber auch nicht dunkel, und schon ist es Mitte Nachmittag und der Tag vorbei! Das Morgenrot ist quasi direkt in die Abendstimmung übergegangen. Und während dieser Stunden ist der Lappland-Besucher sportlich mehr oder weniger aktiv unterwegs. Das gilt für den Dezember. Bereits Ende Anfang März steht die Sonne in Lappland länger am Himmel als in der Schweiz…

So oder so kann es nicht schaden, zuerst einmal einen Gang runterzuschalten und körperlich und geistig 170 Kilometer über dem Polarkreis anzukommen. Schliesslich ist hier alles anders – man muss sich erst einleben. Overall, Schneestiefel und Wollsocken (!) werden zur Verfügung gestellt. Dazu Jeans, Pulli und Handschuhe angezogen, die Mütze übergestülpt und den Schal umgewickelt – so wird mit der arktischen Kälte eingehender Bekanntschaft gemacht. Der Schnee knirscht unter den Schuhsohlen, ich höre meinen Atem – und sonst nichts. Es dauert auch nicht lange, könnte ich mit meiner roten Nase dem Rentier Rudolph Konkurrenz machen. Aber die reine Luft und die bezaubernde Winterlandschaft locken dennoch zu einem ausgedehnteren Spaziergang.

Bei der Rückkehr zur Lodge zeigt das Thermometer minus 16 Grad an. Die waren eigentlich erstaunlich gut auszuhalten. Dennoch ist es ein herrliches Gefühl, so erfrischt in die Wärme einzutreten, sich der Kleiderschichten zu entledigen und mit einem Lumumba (heisse Schokolade mit einem Schuss Rum) vors Kaminfeuer zu setzen. Allein ist man hier kaum. Stets findet sich jemand, der von einem Schwank in seinem Leben oder von seinen Erlebnissen in der Kälte erzählt.
Mit dem Skidoo durch die verschneite Landschaft
Mit dem Motorschlitten durch die Wälder und über die zugefrohreren Seen zu gleiten ist ein spezielles Erlebnis und bedingt, dass man sich auch wegen dem Fahrtwind sehr warm anzieht.

Immer wieder empfielt es sich, dass man mit dem Motorschlitten innnehält und die atemberaubende Stimmung in der Wildnis geniesst.

Wintertraum mit Huskys
Beispielsweise von der ersten Begegnung mit den Huskys. Je nach Angebot muss/darf man die Hunde selber vor den Schlitten spannen, was gar nicht mal so einfach ist. Und es lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, wer aufgeregter ist: die bellenden Hunde oder die angehende Musherin. Auf Kommando geht es los, ich ziehe den Anker aus dem Schnee und augenblicklich werfen sich die Hunde ins Geschirr. Das Bellen verklingt, der Schlitten fährt mit einem Ruck an – und ich schaffe es tatsächlich, auf den verlängerten Kufen stehen zu bleiben. Start gelungen – die Anspannung weicht. Der Schnee knarzt anfänglich, doch schon nach wenigen Metern ist ausser dem «Schschsch…» der Kufen nichts mehr zu hören.

Die Landschaft scheint lautlos vorbei zu gleiten, ich versinke in diesen grandiosen Anblick. Der Fluss ist zur eisigen Weite erstarrt, kleine Büsche und Tannen, die am erahnten Ufer stehen, tragen schwere, weisse Mützen… Und dann, es müsste ja nicht der 24. Dezember sein, beginnt es zu schneien. Sanft schweben die Flocken, tanzen in der Luft – und die Gefühle schlagen Purzelbäume. «Schschsch…» wie ein Traum, wären da nicht Kälte und Fahrtwind, die sich unbarmherzig durch Schuhsohlen und Handschuhe fressen, und das Halstuch, das Wangen und Nasenspitze vor Schlimmerem bewahrt, zur eisigen Maske erstarren lassen…
Nach dem Ausspannen und Füttern der Hunde, bin ich nicht die einzige, die sich glücklich und erfüllt aufs Kaminfeuer freut. Nur das Renntier wartet draussen noch, bis es vor den Schlitten eingespannt wird und zusammen mit dem Nickolaus die Geschenke bringen darf.

Das gemütliche Beisammensein nach dem Abendessen mit den neuen Freunden aus aller Welt wird jäh unterbrochen. «Polarlichter!» Und schon stürmt die kleine Gästeschar hinaus, um das Naturschauspiel ja nicht zu verpassen. Die wabernden Nebel, mal gelblich, mal grünlich irrlichternd… Es ist kaum zu beschreiben. Meine erste Aurora Borealis! Und es wird nicht die letzte bleiben – das schwöre ich!
Infos zu Lappland
Das Land der Samen
In ihrer eigenen Sprache nennen sie sich Samen, und allmählich ist diese Bezeichnung auch in die nordischen Sprachen eingegangen; denn der Bezeichnung «Lappen» haftet etwas Abschätziges an. Das samische Volk lebt auf vier Länder verteilt: in den nördlichen Regionen von Schweden, Norwegen, Finnland und Russland. Von den nordischen Kolonisatoren ausgebeutet, führten die Samen bis zum Zweiten Weltkrieg ein sehr schweres Leben. Jetzt wird die samische Kultur jedoch von den Staaten gefördert. Samisch wird auch an den Schulen gelehrt. Eine umfangreiche Sammlung zur Kultur und Geschichte der Samen beherbergt das Siida Sámi Museum der Gemeinde Inari in Finnland.
ANREISE
Ab Zürich mit Finnair via Helsinki nach Kittilä oder mit Helvetic ab Zürich in nur dreieinhalb Stunden direkt zum Polarkreis.
POLARNACHT
Während sich am geografischen Nordpol im Winter die Sonne fast ein halbes Jahr lang nicht blicken lässt, dauert die sonnenlose Zeit am Polarkreis gerade mal einen Tag. Wobei sonnenlos nicht ganz korrekt ist: Lediglich der untere Teil der Sonnenscheibe schafft es nicht über den Horizont, doch je nach Geländeform ist die Wahrnehmung unterschiedlich. Die Finnen nennen diese Zeit Kaamos. Doch man beachte: Bereits Anfang März scheint die Sonne in Kittilä länger als in der Schweiz!
KÄLTESCHUTZ/KLEIDUNG
Es ist in Lappland nicht immer sibirisch kalt. Bei Temperaturen bis minus fünf Grad und für Tagesaktivitäten wie Langlaufen und Wandern reicht die normale Skibekleidung völlig aus. Für Motorschlitten- und Hundeschlittentouren ist Spezialkleidung empfohlen, die meistens im Arrangementpreis inbegriffen ist.
Tipp für Damen: Ausnahmsweise kein Make-up und auch keine wasserhaltigen Cremes verwenden. Zumindest nicht tagsüber, wenn man draussen ist. Die Kälte lässt die Feuchtigkeit des Make-up-Auftrags in der Haut gefrieren – das ist ziemlich schmerzhaft.
ALLGEMEINE INFOS
www.visitfinland.com
© Text und Fotos: Inge Jucker | TravelExperience.ch
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