
Nach einem köstlichen Abendessen bildet der Spaziergang entlang der Promenade von St. Brelade einen wohltuenden Abschluss. Die Meeresluft ist würzig und lau, die Wellen schlagen rhythmisch an die Ufermauer, am anderen Ende der Bucht locken die beleuchteten Parish Church und Little Fishermen’s Chapel – doch die Müdigkeit drängt mich bereits nach kurzem Weg, ins Strandhotel abzubiegen. Im Bett lausche ich – typisch Binnenländerin – genüsslich der Brandung und falle rasch in tiefen Schlaf.

Inhalt
Wo bleibt das Meer?
Stunden später erwache ich. Es ist so seltsam ruhig… Haben die das Meer abgestellt?! Der Blick aus dem Fenster macht mich staunen. Über Nacht hat sich die Landschaft komplett verändert: wasserloser Strand bis zum Horizont, einer Mondlandschaft nicht unähnlich, dehnt sich aus, wo vor ein paar Stunden das Meer rauschte. So sieht also St. Brelade bei Ebbe aus.

Später erklärt Inselführer Remy, dass auf Jersey der Unterschied zwischen Ebbe und Flut bis zu 14 Meter beträgt, was an vielen Stellen für beeindruckende Ausflüge sorgt: So kann der Leuchtturm La Corbière am südwestlichsten Zipfel der Insel lediglich bei Ebbe zu Fuss besucht werden.
Elizabeth Castle ist ebenfalls nur während Ebbe trockenen Fusses erreichbar – die bedeutendste Burg der Kanalinseln liegt auf einer Felsinsel in der Bucht vor St. Helier. Wer bei Flut den historischen Ort aufsuchen – oder verlassen – möchte, benutzt die «Puddleduckferry», ein Amphibienfahrzeug (ab/nach St. Helier, Victoria Avenue).
Shopping in St. Helier
Jerseys Hauptstadt, St. Helier, ist sehr lebendig und verkehrsreich. Das Bild wird von smarten Geschäftsherren in Anzügen geprägt, denn Jersey lebt zur Hauptsache von einem der (zumindest optisch) saubersten Wirtschaftszweige: vom Finanzwesen. Die meisten Insulaner arbeiten in Banken, Finanzinstituten sowie Versicherungen und finden es wenig erstrebenswert, in der Landwirtschaft, Gastronomie oder Hotellerie tätig zu sein. Dort sind Italiener, Portugiesen und andere Ausländer beschäftigt.

Zu Fuss lässt sich die geschäftige Kleinstadt in etwa einem halben Tag kennen lernen – den Besuch des wirklich sehenswerten Maritime Museums nicht eingerechnet. Die Fussgängerzone King Street ist das Einkaufsparadies von St. Helier. Der unkundige Shopper wird allerdings staunen, wie gross ein Warenhaus ist, selbst wenn die Fassade einen eher kleinen Laden vermuten lässt.
Wie St. Helier zu Fuss, so ist ganz Jersey per Velo oder Auto gut zu erkunden. Obwohl jeder Zipfel der Insel in 20 bis 30 Autominuten erreicht ist, lernt man Jersey nicht an einem Tag kennen. Etwas abseits der Hauptstrassen, lassen sich im Inselinnern idyllische Landschaften entdecken…

Pferde, Velos und Jersey-Kühe
Eine Spezialität in Sachen Fortbewegung stellen die Green Lanes dar: Auf diesen schmalen, einspurigen Strassen, die meist von hohen Hecken gesäumt sind, haben Reiter und Radfahrer Vortritt. So lassen sich alle Sehenswürdigkeiten der Insel gemütlich erreichen. Um nur einige zu nennen: ansehen sollte man sich die St. Matthew’s Glass Church in St. Lawrence (s. meinen Beitrag über Lalique), die Morel Farm mit ihrer pferdebetriebenen Apfelmühle, die prähistorische Grabstätte La Hougue Bie, den Jersey Zoo, der sich speziell den Tieren Madagaskars widmet, und die Jersey War Tunnels. In der «Ho8», der Hohlgangsanlage aus dem Zweiten Weltkrieg, ist ein ausgezeichnetes Museum untergebracht, das von der deutschen Besetzung Jerseys handelt. 2015 ist es wegen des Jubiläums «70 Jahre Kriegsende» besondere aktuell.

Allgegenwärtig sind während der Fahrt über Land die berühmten Jersey Cows, Kühe von spezieller Zucht, bei der auch die braunen Schweizer Kühe eine Rolle spielten. Berühmtheit erlangten sie, weil ihre Milch besonders fettreich und schmackhaft ist. Selbst wer sich eine Diät verschrieben hat, sollte nicht darauf verzichten, sich gelbe Jersey-Butter aufs Brot zu schmieren. Sie schmeckt einfach herrlich!

Historisches Klopapier
Auf einem alten Gutsbetrieb, der zum Hamptonne Country Life Museum umgewandelt wurde, erwartet den Besucher ein Schauspiel der besonderen Art. «Hier, fühlen Sie mal», sagt die Bäuerin und drückt mir ein samtig weiches Pflanzenblatt in die Hand. «Das war früher unser Klopapier – dieses hier ist natürlich noch unbenutzt – es diente auch als Dünger für unsere Gärten und Felder. » Allgemeines Schmunzeln. Während das Feuer im Kamin lodert erzählt die «Bäuerin», die eine hervorragende Laiendarstellerin ist, sehr eindrücklich, direkt und humorvoll wie hier das Leben früher war.

Und auch wir Besucher bekommen unser Fett ab, was mich aber nicht im geringsten daran hindern wird, Jersey so bald wie möglich wieder zu besuchen. Es gibt noch sooo viel zu entdecken, ein paar Cliff-Wanderungen zu unternehmen und die Witch Stones zu suchen. Das sind spezielle Steine an alten Kaminen, welche die Hexen dazu einladen sollten, sich zu setzen anstatt durch den Schornstein ins Haus zu fahren. Auch allerlei Feen und Elfen warten am Wegrand…

Infos zu Jersey
ANREISE
Im Sommer werden ab Zürich Direktflüge angeboten, ansonsten ist der Umweg über England zu machen (Flugzeit via Manchester 4 Std.). Wer lieber mit dem Auto anreist: Eine Autofähre verkehrt täglich zwischen Jersey und Saint-Malo (Fahrzeit ca. 2 Std.).
BESTE REISEZEIT
Von April bis Oktober ist es auf Jersey am schönsten, doch auch die Wintermonate haben ihren ganz speziellen Reiz – hat mir ein ansässiges Ehepaar glaubhaft vermittelt.
ESSEN
Man würde es nicht erwarten, aber auf Jersey wird im ganzen Königreich am besten gekocht. Kein Wunder, denn der Einfluss Frankreichs wirkt sich wohltuend aus. Über die Jahre, Jahrzehnte ist eine eigene Jersey-Küche entstanden, und es mangelt nicht an erstklassigen Restaurants. Man achtet darauf, möglichst auf der Insel produzierte Nahrungsmittel zu verarbeiten. Im Mai findet jeweils das Jersey Food Festival statt.
Salty Dog Bar and Bistro
Le Boulevard, St Aubin’s Village
www.saltydogbistro.com
Hier habe ich geschwelgt… Alles frisch zubereitet, hausgemachte Nudeln, eine authentische und schön würzig bis scharfe Küche. Und: ich habe hier die beste Crème Brulée EVER gegessen!
The Hungry Man
Am Hafen von Rozel
www.facebook.com/pages/The-Hungry-Man
Das Lokal ist eine Institution. Hier werden Krabben-Sandwiches und Burger aufgetischt.
SHOPPING
La Mare Wine Estate
La Rue de la Hougue Mauger
St Mary
www.lamarewineestate.com
Gut für einheimische Spezialitäten.
MEHR DESTINATIONSINFOS
Jersey Tourismus – www.jersey.com
www.nationaltrust.je (Hamptonne)
www.durrell.org/wildlife-park/ (Jersey Zoo)
www.jerseywartunnels.com
© Text & Fotos (wo nicht anders bezeichnet): Inge Jucker | TravelExperience.ch
Offenlegung: Ich war von Jersey Tourismus eingeladen.
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