
Zugegeben: Idar-Oberstein würde für die Stadtplanung ganz sicher keinen Preis gewinnen. Immerhin bemühen sich die Oberen jedoch, die Stadt wieder belebter und wohnlicher zu gestalten. Es tut sich was, aber das braucht halt Zeit…

Inhalt
Dreh- und Angelpunkt
Während wir in Idar-Oberstein sind, hören wir noch viele Beschwerden von den Einwohnern. Aus unserem Facebook-Post, den wir während der Reise veröffentlicht haben, ist ein interessanter Thread geworden, in dem sich einige Bewohner, aber auch Weggezogene gemeldet haben. Einige ärgern sich über leerstehende Ladenlokale, andere freuen sich, dass da mal jemand aus dem Ausland gekommen ist, um Idar-Oberstein mit anderen Augen zu betrachten…
Das haben wir gerne getan, liebe Idar-Obersteiner! Auch wenn der Ort keine Schönheit ist, so lebt er doch von seinen Bewohnern – und die haben wir äusserst liebenswert und freundlich erlebt. Ausnahmslos.

Und ganz ehrlich: Wir haben sogar eine Lieblingsecke gefunden. Genau wie viele Einheimische sind wir immer wieder am Marktplatz gelandet. Wir sind nicht sicher, ober der Platz wirklich so heisst, aber es gibt dort ein Café am Markt, weshalb wir den lebhaften Platz so getauft haben.

Bei schönem Wetter in einem der Restaurants draussen zu sitzen und dem Treiben zuzuschauen – da haben wir uns fast ein wenig wie in Italien gefühlt. Einmal sind wir zwischen zwei Tische geraten, an denen nur Einheimische sassen, die sich über uns hinweg unterhalten haben. Also echt jetzt, das ist ja ein Wahnsinnsdialekt! Oft haben wir nicht mal die Hälfte verstanden… Aber lustig war’s!
Jakob Bengel – Ketten und Modeschmuck
In Idar-Oberstein darf man sich das Industriedenkmal Jakob Bengel auf keinen Fall entgehen lassen. Der Name ist etwas sperrig, aber es handelt sich um die alten Fabrik- und Wohngebäude samt Innenleben, die Zeitzeugen der Modeschmuckindustrie sind, welche die Stadt vor mehr als 130 Jahren bis weit über die Region hinaus bekannt gemacht und zu Wohlstand gebracht hatte.

Im Fabrikgebäude stehen noch die alten Maschinen, die verschiedenste Arten von Ketten am Laufmeter formten. Eine dieser Kettenmaschinen läuft im Zeitlupentempo, damit der Besucher die Entstehung der einzelnen Glieder und das Aneinanderreihen zu einer Kette quasi in einem Arbeitsgang beobachten kann.

Eine permanente Ausstellung führt durch die Geschichte des Betriebs und des Modeschmucks. Angefangen hat Jakob Bengel mit Uhrketten. Das war 1873. Seine erste, noch handbetriebene Kettenmaschine hat er im Elsass erstanden. 1920 besuchte er Paris, brachte Art-Déco-Muster nach Hause, die als Inspiration für seine eigene Kollektion dienten und spezialisierte sich fortan auf Modeschmuck. Während des Krieges wurden die Musterbücher, in denen jedes Schmuckstück genauestens beschrieben war, gegen Lebensmittel und Zigaretten eingetauscht. Doch die jüngste Generation konnte zumindest einen Teil der Bücher auftreiben und zurückkaufen.

Der spannendste Teil unseres Besuches ist dann aber doch die Führung mit Wolfgang Clasen. Er ist mit den alten Maschinen vertraut, weiss wie sie funktionieren und nimmt sie auch in Betrieb.

Da wäre die Kettengliederplattdrückmaschine – selbsterklärend –, die Lötmaschine und die Friktionspresse, die mit 120 bis 130 Tonnen Druck Teile aus Metallplatten stanzt. Die Exzenterpresse entfernt schliesslich überstehendes Material und Wolfgang hält uns zu guter Letzt ein frisch geprägtes und gestanztes Krönchen aus Aluminiumblech entgegen, das wir als Souvenir behalten dürfen. Nach diesem Ausflug in die bewegte Vergangenheit des Modeschmucks gibt es nur strahlende Gesichter.

Spiessbraten, ein Traditionsessen
Jetzt sind wir aber hungrig geworden ob all der Erlebnisse. Zeit, sich den Idar-Obersteiner Spezialitäten zuzuwenden. Als da wäre: der Spiessbraten, auch Idarer Schwenkbraten genannt! Der wird nicht am Spiess gebraten, wie der Name vermuten lässt, sondern auf einem runden Grill, der an Ketten hängt und über dem Feuer gedreht wird. Das Bauernbrot, das im Badischen Hof dazu gereicht wird, schmeckt so gut, dass wir natürlich zu viel davon gefuttert haben. Für Dessert blieb dann kein Platz mehr.

Herrenstein für Schaulustige
Wer Lust auf Hausmannskost à la Idar-Oberstein und Hunsrück hat, der sollte unbedingt Herrstein besuchen. Das Dorf mit seinen hübschen Fachwerkhäusern ist eine kleine Augenweide.


Und der Hunger wird dann im Café in der Zehntscheune gestillt. Die Bezeichnung Café ist etwas irreführend, denn es wird mehr als nur Kaffee und die legendären Kuchen angeboten. Hunsrücker Saumagen zählt beispielsweise zu den Spezialitäten, oder Omas hausgemachte dicke Kartoffelsuppe mit Wurst und Brot. Wohl bekomm’s!

Wein & Stein
In Herrstein haben wir auch Dagmar und Volker Goldbach besucht. Die beiden sind aus Hamburg zugezogen und ihre Leidenschaft sind Steine, Weine und Schmuck. Ihr Haus, das sie 2013 erstanden und renoviert haben, war früher mal die Wirtschaft zur Pfeife und später eine Schleiferei. Die alten Maschinen stehen noch heute im Keller. Darüber befindet sich eine Fossilienausstellung, die ihresgleichen sucht.

Seit mehr als 30 Jahren sammeln die beiden Versteinerungen und Mineralien. Kenner, die nach speziellen Stücken suchen, finden von weit her den Weg zu den Goldbachs. Wir staunen einmal mehr über die Kunstwerke, welche die Natur erschafft. Die Ausstellung ist für Interessierte unbedingt einen Besuch wert. Und wer Wein mag, sollte sich bei Goldbachs ruhig genauer umsehen. Sie haben da so den einen oder anderen Tropfen, der in der Region gekeltert wurde.


Kupfer, Kobolde und Geister
Zwischen Herrstein und Fischbach erwartet uns eine weitere Attraktion der Gegend: das Kupferbergwerk Fischbach. Hansgünter Wichter ist hier unser fachkundige Begleiter, und er versteht es, seine Begeisterung auf uns zu übertragen. Die Fischbacher Kupfermine ist schon mehr als 2000 Jahre alt. Der Abbau endete jedoch 1792 mit dem Einzug von Napoleon. Heute ist der Förderverein Historisches Kupferbergwerk Fischbach e.V. dafür besorgt, dass die Art des mittelalterlichen Kupferabbaus als Zeitzeuge erhalten bleibt. Und was wir da nicht alles erfahren – viel Interessantes und auch einige Erklärungen für altbekannte Sprüche.

Mit Schlägel und Hammer hat ein Minenarbeiter einen Monat gebraucht, um einen Meter Fels abzutragen. Der Chef wurde Hutmann genannt, denn die Arbeiter stehen unter seiner Obhut. Bergmänner sind immer am Fahren, auch wenn sie gehen: man fährt in den Berg ein und aus, stets begleitet von einem herzlichen «Glückauf!», denn mit Glück geht der Berg auf und man findet das Gesuchte. Mit dem «Hund» (Wagen, Lore) wurden die Steine transportiert. Diesen Hund zu schieben, war eine Strafarbeit. Sehr schlecht bezahlt und anstrengend. Kein Wunder kommt man auf den Hund.

Ausser Kupfer wurde auch Uran abgebaut und man fand Malachit, Pyrit und Schwefel. Pyrit, Katzengold oder Feenstaub genannt, wurde von den Feen im Stollen verteilt. Auch Zwerge und Kobolde, Märchen und Sagen haben hier ihren Platz, wobei die Bergmänner selber schon sehr kleinwüchsig waren. Hansgünter zeigt das eindrücklich an einem Durchgang, der definitiv nur für Leute mit 1,20–1,50 m Leibeshöhe geeignet ist. Der Zwergwuchs, so weiss man heute, wurde durch die Kupferschmelze verursacht.

Die Bergmänner hatten zwar einen harten Job, den sie aus gesundheitlichen Gründen nur bis etwa 35 ausüben konnten, genossen aber Privilegien: Sie waren von allen Steuern und Abgaben befreit und sie durften jagen wie die Adligen. Bunte Kleider und Vollbart waren nur ihnen erlaubt, und sie verdienten 70 Taler pro Jahr. Ein normales Jahreseinkommen belief sich auf 25 Taler. Bergmänner sind auch sehr abergläubisch. Wenn da am Morgen der «Berggeist» komisch ausschaut, kehrt man besser wieder um. Wir hatten Glück: der Berggeist war ganz friedlich und uns sehr wohlgesonnen. ;-)

Auf den Spuren der Edelsteine, vom Ursprungsort bis in den Laden, wandeln wir in einem separaten Beitrag.
Infos zu Idar-Oberstein und Umgebung
Wir haben alle Informationen zu beiden Idar-Oberstein-Artikeln in einem Dokument zusammengefasst. Es lässt sich >>> hier als PDF herunterladen.
ANREISE
Mit der Bahn oder dem eigenen Auto. Auch wenn man es den Adressen nicht gleich ansieht, liegen die Sehenswürdigkeiten ziemlich verstreut. Deshalb ist ein fahrbarer Untersatz vor Ort eigentlich ein Muss.
BESTE REISEZEIT
Frühling bis Herbst ist es am schönsten. Zudem sind einige Einrichtungen den Winter über geschlossen, so zum Beispiel die Weiherschleife.
UNTERKUNFT
Die Hotelsituation in Idar-Oberstein hat noch etwas Optimierungspotenzial. Es gibt viele kleine Pensionen, darunter sehr günstige. Ausserhalb von Idar-Oberstein gibt es natürlich auch Hotels und Pensionen, wir haben uns aber für das Stadthotel entschieden.
Parkhotel
Hauptstrasse 185
D-55743 Idar-Oberstein
www.parkhotel-idaroberstein.de
Wir haben den Eindruck, dies sei – mit vier Sternen – das beste Hotel der Stadt. Unser Zimmer war sehr geräumig, der Service freundlich und im Restaurant/Bistro konnten wir uns gut und günstig verpflegen. Die Terrasse vor dem Haus ist ein beliebter Treffpunkt. Wir können das Haus guten Gewissens weiterempfehlen.
RESTAURANTS
In Idar-Oberstein sind wir immer wieder am Markt/Hauptstrasse im Ortsteil Oberstein gelandet. Hier gibt es gemütliche Restaurants und Cafés.
Spiessbratenhaus Alte Kanzlei
Hauptstrasse 432
D-55743 Idar-Oberstein
http://das-spiessbratenhaus.de
Nein, wir haben – dem Namen zum Trotz – keinen Spiessbraten gegessen, sondern Flammkuchen, die hier variantenreich angeboten werden.
Café am Markt
Hauptstrasse 421
D-55743 Idar-Oberstein
www.io-cafe-am-markt.de
Das Café ist bekannt für Kaffee, Tee, langes Frühstück (bis 12 Uhr) und Kuchen, aber man kann auch nur ein Glas Wein trinken.
Badischer Hof
Hauptstrasse 377
D-55743 Idar-Oberstein
http://badischer-hof-breckner.de/
Hier wird der «Original Idar-Obersteiner Spiessbraten» noch traditionell über dem Feuer zubereitet und mit Hunsrücker Bauernbrot und gemischtem Salat serviert. Das hat uns so gut geschmeckt, dass wir noch ein zweites Mal dort essen gegangen sind.
Manzi’s Restaurant & Bistro
im Parkhotel
Hauptstrasse 185
D-55743 Idar-Oberstein
www.parkhotel-idaroberstein.de
Zur Weiherschleife
Tiefensteiner Strasse 91
D-55743 Idar-Oberstein
Nach oder vor dem Besuch der historischen Weiherschleife kann man sich hier preiswert und gut verköstigen. Die Terrasse ist auch hier beliebt für Kaffee und Kuchen.
Café in der Zehntscheune
Schlossweg 13,
D-55756 Herrstein
www.zehntscheune.de
Das Café ist auch eine Pension und ein Mineraliengeschäft. Café ist eigentlich nicht ganz passend, denn die Hausmannkost geht weit über das Angebot eine Cafés hinaus. Oma’s hausgemachte dicke Kartoffelsuppe, gefüllte Klösse in Speckrahmsauce mit Apfelkompott oder hausgeräucherte Forellenfilets an hausgemachtem Meerrettich mit Folienkartoffel und Kräuterquark… Und gemütlich ist das Café auch noch.
WEITERE ADRESSEN ZUM THEMA EDELSTEINE
Edelsteinminen im Steinkaulenberg
Im Stäbel
D-55743 Idar-Oberstein
www.edelsteinminen-idar-oberstein.de
Historische Weiherschleife
Tiefensteiner Strasse 87
D-55743 Idar-Oberstein
www.edelsteinminen-idar-oberstein.de
Edelsteinschleiferei Ernstotto Biehl
An der L160 zwischen Kempfeld und Herrstein
D-55758 Asbacherhütte
www.alte-edelsteinschleiferei.de
Deutsches Edelsteinmuseum
Hauptstrasse 118
D-55743 Idar-Oberstein
www.edelsteinmuseum.de
Edelstein-Erlebniswelt
Nahestrasse 42
D-55743 Idar-Oberstein
www.goldgottlieb.de
Um ganz ehrlich zu sein: Ich weiss nicht, wie Kinder die Erlebniswelt empfinden. Ich habe keine Kinder gesehen, die ich hätte befragen könne. Die Anlage wurde sicher mit viel Fantasie und Enthusiasmus gebaut. Für Erwachsene ist der einen Stock höher angesiedelte Schmuck Factory Outlet aber ganz bestimmt interessant.
ÜBRIGE ADRESSEN
Industriedenkmal Jakob Bengel
Wilhelmstrasse 42a
D-55743 Idar-Oberstein
www.jakob-bengel.de
Schloss Oberstein
Schloss
D-55743 Idar-Oberstein
www.schloss-oberstein.de
Führungen gibt es auf Anfrage. Die Gaststätte Wirichstube ist an den Wochenenden geöffnet. Tolle Aussicht!
Felsenkirche
Kirchweg 3
D-55743 Idar-Oberstein
www.felsenkirche-oberstein.de
Wer keine Lust oder Schnauf hat, die gegen 200 Stufen zur Kirche hinauf zu steigen, verpasst höchstens die Aussicht. Die Kirche selber wurde leider bei Renovationen nicht eben verschönert. Pardon, aber das ist nun mal unsere ehrliche Meinung. Die Geschichten, die sich um die Kirche ranken, kann man sich auch unten im Ort erzählen lassen.
Kufperbergwerg Fischbach
Hosenbachstrasse 17
D-55743 Fischbach
www.besucherbergwerk-fischbach.de
Goldbachs Steine und Weine
Geologisches Museum & Vinothek
D-55756 Herrstein
www.goldbachs-weine-und-steine.de
WEITERE INFOS
EdelSteinLand
Tourist-Information Idar-Oberstein
Hauptstrasse 419
D-55743 Idar-Oberstein
www.edelsteinland.de
www.idar-oberstein.de
© Text: Inge Jucker; Fotos: Heinz Jucker | TravelExperience.ch
Offenlegung: Wir wurden bei den Übernachtungen von www.germany.travel und Idar-Oberstein Tourist-Info unterstützt. Zu allen Besichtigungen und Führungen waren wir eingeladen.
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