
Endlich mal wieder eine richtige Hotelperle, die wir besuchen dürfen! Dass es eine Perle ist, liegt am Direktoren-Ehepaar Damaris und Christian Lienhard, das sich mit Leib und Seele um den Betrieb und die Gäste kümmert, an den 187 motivierten und herzlichen Mitarbeitenden, an einem sehr speziellen, aber erfolgreichen Konzept und natürlich an der Geschichte des Hotels. Nicht zu vergessen, dass der Hof Weissbad in einer wunderschönen Landschaft liegt, die vor Sagen und Legenden nur so strotzt und Wanderern, Bikern und Genussmenschen einen abwechslungsreichen Aufenthalt beschert.
Inhalt
Gastgeber wie aus dem Bilderbuch

Das Haus ist gut in Schuss, aber kein Wunder, denn alle fünf Jahre wird es einen Monat lang geschlossen, damit Renovationen, Um- und Anbauten realisiert werden können. Alle zehn Jahre sind die Zimmer mit Erneuerungen dran, denn bei der hohen Auslastung, die das Hotel geniesst, kommt es natürlich zu Abnützungserscheinungen.

Dieses Jahr dauerte die «Auszeit» allerdings fast zwei Monate, während derer die Eingangshalle, die Restaurants und die 87 Zimmer für 14 Millionen Schweizer Franken erneuert wurden.

150 Handwerker waren Tag und Nacht beschäftigt und wurden hausintern bekocht. 7842 Essen wurden den Handwerkern gereicht, 21 600 Kaffees zubereitet, 55 000 m Kabel verlegt, 1885 Möbelteile ersetzt… Wer mehr Infos dazu haben möchte, findet sie im Bauflyer.

Praktisches und Kunsthandwerk
Unser Zimmer 102 (ohne Balkon) macht denn auch einen sehr guten Eindruck. Der neue Eichenholzboden wirkt elegant und rustikal zugleich, die Möblierung ist unaufgeregt und praktisch, und wir entdecken viele Kleinigkeiten, die wir so noch nirgends entdeckt haben.
Im Schrank hängt an einem Kleiderbügel ein bestickter Waschlappen: «Bitte Bettwäsche wechseln.» Die Botschaft ist klar: Liegt der Waschlappen auf dem Bett, wird die Wäsche gewechselt. An einem anderen Bügel hängt ein Stoffsack mit aufgestickter Zimmernummer. Er wurde aus alten Hotelbettlaken genäht und nimmt all die Kleinigkeiten auf, die man ins Schwimmbad mitnehmen möchte. Dieses wird übrigens durch hauseigenes Quellwasser gespeist. Ebenfalls im Schrank zu finden ist ein kleiner Rucksack, den man auf Wanderungen mitnehmen kann.

Auf dem Bett liegt ein Überwurf, der eine Blumenwiese darstellt, wie man sie draussen allenthalben antrifft. Diese Blumenwiese wurde allerdings speziell für den Hof Weissbad in der Jakob Schläpfer AG in St. Gallen entworfen und auf schweren Leinenstoff gedruckt. Auch der Stoff für die Vorhänge und die spezielle Verarbeitung geht auf Jakob Schläpfer zurück: Der obere Abschluss ist eine breite, «gesmokte» Bordüre. Diese aufwändig genähte Falttechnik ist auch in der Trachtenmode anzutreffen und sehr stoffintensiv: 140 cm Stoff ergeben nur 60 cm gesmokter Vorhang!

Besuch in der Kunstwerkstatt
Und ich gehe jede Wette ein, dass wir noch nie vorher ein richtiges Kunstwerk und Unikat als Zimmerschlüsselanhänger in der Hand hatten. Den Appenzeller Kunsthandwerker Adalbert Fässler, der die Anhänger angefertigt hat, besuchen wir in seiner Werkstatt in Appenzell.

Er sieht irgendwie aus wie man sich einen Künstler eben vorstellt, und sein kreatives Chaos ist äusserst sympathisch. Er ist erstaunt, freut sich aber über unseren Besuch und kramt sogleich seine Entwürfe für das Hotel Hof Weissbad hervor.
Als die Anhänger entstanden war immer noch «Ethno» angesagt, in der auf alles und jedes Kühe drauf mussten, erzählt Adalbert Fässler. Das wollte er nicht. Er fand, der Hierig, ein alter Appenzeller Volkstanz, sei passender, und fertigte in feiner Ziselierungsarbeit 16 verschiedene Motive des Tanzes an, der in pantomimischer Art die Höhen und Tiefen einer Ehe zeigt, von der Annäherung, über den Streit bis zur Versöhnung. Zustände halt, wie sie wohl in jedem Hotel anzutreffen sind, die einfach zum Leben gehören.

Ein Blick zurück
Da könnte Christian Lienhard, den wir zum Gespräch in der Bar treffen, wohl aus dem Nähkästchen plaudern. Aber viel lieber möchten wir mehr über das Erfolgsgeheimnis und die Geschichte des Hof Weissbad erfahren.

Am jetzigen Standort reicht die Geschichte ins Jahr 1994 zurück, doch sie nahm schon irgendwann im 18. Jahrhundert mit einer Badehütte Anlauf. Das Kurhaus entstand schliesslich um 1790, als Carl Jakob Inauen die Molkenkur in Weissbad einführte. Sein Vater, der Schotten Sepp, gilt als Begründer der Molkenkur.

Die ganze Geschichte ist in mehreren Büchlein, die im Hotel aufliegen, niedergeschrieben. Die Kurzfassung geht so: Die Blütezeit des Hof Weissbad wird mit dem Ersten Weltkrieg jäh beendet. Während der 1920- und 1930-er Jahre finden sich jedoch wieder Gäste aus der ganzen Welt in Weissbad ein, ebenso nach dem Zweiten Weltkrieg. In die Jahre gekommen und mit dem Aufkommen des Tagestourismus nicht mehr rentabel, wird das Haus 1973 als Kurhaus geschlossen. Nach mehreren Umnutzungen bleibt es ab 1982 definitiv verwaist.

Kluge Investoren
1989 erwirbt eine «Gruppe initiativer Herren» das Kurhaus und das dazugehörige Land. Sie lässt das alte Haus abbrechen und an etwas besserer Stelle den Neubau errichten, der am 1. September 1994 als das neue Gesundheits- und Ferienhotel Hof Weissbad eröffnet. Damaris und Christian Lienhard, die bereits mit der Hoteleröffnung des Giardino in Ascona Erfahrung hatten, übernehmen den Aufbau und die Leitung des neuen Hof Weissbad – und sind bis heute geblieben.

24 Jahre dauert die Erfolgsgeschichte nun schon an, kaum ein Jahr, in dem das Haus oder das Direktorenpaar nicht eine Auszeichnung bekommt. Ein Anteil am Erfolgsgeheimnis ist bestimmt auch darin zu finden, dass viele Mitarbeitende Aktionäre der Hotel-AG sind. Deren wichtige Regel lautet: Keiner der derzeit 3800 Aktionäre besitzt mehr als fünf Prozent des Aktienkapitals. Somit kann klug in die Zukunft investiert werden und es fehlt nirgends an Motivation, das Hotel wirklich vorbildlich zu betreiben.

Die Hälfte der Aktionäre sind Appenzeller, und allen Aktionären geht es weniger um Dividenden und Renditen, sondern um Reserven und Investitionen. Es wird längerfristig gedacht und nachhaltiger. Und natürlich hat auch eine Portion Stolz seinen Platz in dieser Erfolgsgeschichte. So etwas funktioniert wohl nur im Appenzell… Und weil ein Drittel aller Logiernächte des Appenzells der Hof Weissbad generiert, ist er ein gewichtiger Arbeitgeber in der Region, der es u. a. bewirkt hat, dass die Läden auch im Winter geöffnet sind und Winterwanderwege unterhalten werden.

Blick in die Zukunft
Die eben abgeschlossenen Renovationen sind nur ein Teil des Zukunftsplanes, in den weitere 30 Millionen Franken gesteckt werden. Damit erfährt auch die Region eine nachhaltige Investition, denn die Arbeiten werden alle hier vergeben. Bereits im Juni 2018 öffnet die neue Lodge auf der anderen Seite des Brüelbachs.

Sie bietet 25 günstige Zimmer ohne Vollservice, aber mit Trocknungsraum für die Ausrüstung der Alpinisten und Velofahrer. Die Lodge ist für jüngere Leute gedacht, die unabhängiger sein wollen. Natürlich können die dennoch die Services des Hof Weissbad nutzen. Ausserdem wird es einen weiteren Seminarbereich geben und sobald der Tennisclub umgezogen ist, entsteht auf dem Gelände der neue Wellness-Bereich. Später sollen auch kleine Häuschen, sogenannte Parksuiten, das Angebot abrunden und Hof Weissbad zu einem veritablen Resort machen.

Was ich noch sagen wollte…
Toll, dass hier auch 25 Lehrlinge ausgebildet werden! Kein Lehrling darf nach dem Abschluss bleiben, sondern darf erst nach zehn Jahren zurückkehren. Bemerkenswert: 85 Prozent der Mitarbeitenden sind Schweizer. Wo gibt’s das noch?! Mit keinem Wort habe ich bisher erwähnt, dass hier der einzige Ort in der Schweiz ist, an dem seit über 20 Jahren das Heilfasten nach F.X. Mayr angeboten wird. Und in der angegliederten Gesundheitsklinik, zu der 18 Zimmer gehören, steht die Reha für Knie- und Hüftpatienten im Zentrum.

Es werden auch Ernährungs- und Kochkurse angeboten, doch das Highlight ist natürlich die mit 16 Gault-Millau-Punkten bewertete Küche von Käthi Fässler. Ihre Anekdoten und Rezepte sind im Büchlein «…du verbrennti zeene»*) veröffentlicht, das nur im Hotel erhältlich ist. Hier kommen die Gäste im Rahmen ihrer Voll- oder Halbpension also täglich in den Genuss hochstehender Gourmetmenüs. Wer nach der Heimkehr den Blick auf die Waage wagt, wird vermutlich ausrufen: Oh du verbrennti zeene…!

Im Grunde genommen erübrigt sich dieser Schlusssatz… Trotzdem: Wir sind vom Hotel Hof Weissbad, dem Direktorenpaar und den Mitarbeitenden wirklich restlos begeistert. Quasi «am Ende der Welt» einen derartigen Betrieb so erfolgreich zu führen, verdient unsere volle Bewunderung.

*) Übersetzungen aus dem Dialekt sind nicht immer einfach, ausserdem spielt hier die Küche auch eine Rolle, in der ja eben nichts anbrennen sollte…
«du verbrennti zeene» = du verbrännti Zeine (Zürichdeutsch) = wortwörtlich übersetzt: «du verbrannter (Wäsche)korb», sinngemäss übersetzt: «das ist unglaublich!» (mit erschrockenem Unterton)
Infos zum Hotel Hof Weissbad
Hotel Hof Weissbad
Im Park 1
CH-9057 Weissbad
www.hofweissbad.ch
Hier sind übrigens Hunde sehr willkommen – es gibt sogar eine Hundedusche!
WEITERE ADRESSEN IN DER UMGEBUNG
Adalbert Fässler
Werkstatt & Atelier
Gaiserstr. 5
CH-9050 Appenzell
www.adalbertfaessler.ch
In seiner Werkstatt sind die Anhänger der Zimmerschlüssel im Hof Weissbad entstanden.
FÜR WÜRZIGE APPENZELLER SPEZIALITÄTEN:
Wetter Spezialitäten AG
Hirschengasse 4
CH-9050 Appenzell
http://appenzeller-metzg.com
In der Metzgerei, die auch eine «Feinschmecker-Oase» ist, kann man Köstliches wie Mostbröckli, allerlei Trockenwürste und alles, was man gerne «zum Picken» hat, zuerst probieren und natürlich kaufen.
FÜR SÜSSE APPENZELLER SPEZIALITÄTEN:
Café-Confiserie Laimbacher
Weissbadstrasse 3 und
Hauptgasse 22
CH-9050 Appenzell
www.laimbacher.ch
Es handelt sich um die älteste Zuckerbäckerei Appenzells, und die nach alten Rezepturen hergestellten «Biber», «Berewegge» und «Landsgmeindchrempfli» sind allweil die Versuchung wert!


Bischofberger AG
Weissbadstrasse 118
CH-9057 Weissbad
www.baerli-biber.ch
Im winzigen Fabrikshop kann man Appenzeller Bärli-Biber- und weitere Nuss-Spezialitäten kaufen.
FÜR HOCH- UND WENIGER HOCHPROZENTIGES:
Brauerei Locher AG
Besucherzentrum Brauquöll
Brauereiplatz 1
CH-9050 Appenzell
www.brauquöll.ch

und an der gleichen Adresse:
Säntis Malt, Swiss Alpine Whisky
www.saentismalt.com

Appenzeller Alpenbitter
Weissbadstr. 27
9050 Appenzell
www.appenzeller.com
Führungen: von April bis Oktober jeden Mittwoch um 10 Uhr, Dauer ca. 1.5 Stunden
WER HOCH HINAUS WILL
dem sei der Ausflug auf den Säntis 2502 m ü. M. empfohlen. Ab der Schwägalp (wo es auch eine Schaukäserei gibt) fährt die Säntisbahn auf den berühmten Gipfel.
NOCH MEHR APPENZELL-TIPPS
Was man in der Region sonst noch unternehmen kann, haben wir in unserem Beitrag «Appenzell hat mehr als ein Geheimnis» zusammengetragen.
© Text: Inge Jucker; Fotos: Heinz Jucker | TravelExperience.ch
Offenlegung: Wir waren für zwei Übernachtungen vom Hotel Hof Weissbad eingeladen.
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