
Wer kennt sie nicht, die zwei knorrigen Appenzeller Sennen, die Schauspieler und Sänger Uwe Ochsenknecht das Rezept für die Kräutersulz partout nicht verraten wollen? Nun, im Appenzellerland gibt es noch mehr Geheimnisse, die nicht gelüftet werden, aber denen man lustvoll nachspüren kann.

Die Besichtigung vieler Betriebe wie der Käserei, der Brauerei und der Appenzeller Alpenbitter AG ist kostenlos. Und da es ausgerechnet während meiner Reportage ziemlich heftig regnet, nutze ich unter anderem auch dieses Angebot. Entstanden ist eine spannende KulturTour durch Appenzell, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt!
Inhalt
Der Flaschengeist von Appenzell
Während der Führung durch das Unternehmen, das den berühmten Alpenbitter herstellt, erfahre ich, dass er seit 1902 produziert wird, ursprünglich als Kräutermedizin gegen Bauchgrimmen. Alpenbitter heisst er erst seit 1907. Im Laufe der Zeit wandelte sich das Image von der Medizin zum Getränk für Lebenskünstler. Eines der Werbeplakate dazu zeigt den allseits bekannten Saxophonisten und Orchesterleiter Pepe Lienhard. Heute setzt man vor allem auf natürliche Rohstoffe und Qualität ohne chemische Zutaten.

Es sind 42 Kräuter, die den «Flaschengeist» des Alpenbitters ausmachen, dessen genaue Mixtur ein grosses Geheimnis ist. Das Rezept kennen nicht einmal diejenigen, welche den Alpenbitter herstellen: Jeder kennt nur die Menge jener Zutat, die er selber beisteuert. Allerdings musste in den 1960er-Jahren das Rezept geändert werden, weil die Alpenrose unter Schutz gestellt wurde. All die anderen Zutaten sind in der Kräuterkammer zu finden, deren Besuch zum Duftrausch gerät.

Selbstverständlich darf man am Ende der Führung auch den Alpenbitter probieren. Wobei es da nicht nur beim Alpenbitter bleibt, denn es werden auch allerlei andere «Wässerchen» hergestellt, darunter der 9050-Rahmlikör, der Vodka Trotzki, eigenwillig in fünf Geschmacksrichtungen und Farben produziert, sowie der Gin 27, der seinen Namen der Herstelleradresse Weissbadstrasse 27 in Appenzell zu verdanken hat. Eine spannende Welt…!
Kulinarischer Appenzell-Bummel
Während meiner Spezial-Tour durch Appenzell probiere ich im Hotel Adler (wo ich auch wohne) den Appenzeller «Chäsflade». Der dafür verwendete viertelfette Käse wird neun Monate lang gelagert und ist entsprechend rezent.
Entlang der Hauptgasse entdeckt man nicht nur farbenfrohe, reich verzierte Häuser, sondern auch kleine Cafés, Kunsthandwerkläden und kulinarische Spezialitäten wie Möslers Käse und Metzger Kollers Trockenfleisch, Würste, Pantli und Speck.

Hier eine Platte mit Trockenfleisch, Speck und Würsten.
Die Löwen-Drogerie ist einen Besuch wert, auch wenn man gar nichts braucht. Das rote Haus mit den Wandmalereien, die allesamt Kräuter darstellen, ist kaum zu übersehen. In seinem Inneren ist die alte Einrichtung mit Flaschen und Kräuterboxen eine Augenweide, und wer mag, probiert den hausgemachten Kapuziner Bitter. Peter und Monika Stark, welche die Drogerie in dritter Generation führen, kennen auch allerlei Hausmittelchen gegen viele Gebresten. Fragen Sie doch einfach, wenn Sie das Zipperlein plagt. Aber fragen Sie nicht nach der Rezeptur. Die ist sicher Geheimnis des Hauses. ;-)

Für Verschleckte ist der Abstecher in die Engelgasse unbedingt lohnenswert: Beim Beck Böhli finden Zuckermäuse alles, vom traditionellen «Biberli» (Honiggewürzteig mit Mandelfüllung) und «Biberfladen» (das Biberli in grosser Form) bis zu Birnenweggen (Gebäck mit Dörrfrüchten und Gewürzen) und «Chrempfli» (Gebäck mit Haselnuss).


Wirklich hungrig bin ich jetzt natürlich nicht mehr, aber im Restaurant Marktplatz wartet dennoch ein typisches Mittagessen auf mich: eine Siedwurst (Rindfleisch mit Kümmel- und Knoblaucharoma) mit «Appenzeller Chäsmaggerone». Und wenn man Glück hat, untermalt ein Hackbrettspieler das Mahl.
Zur Verdauungsförderung statte ich in einem kleinen Spaziergang der Klosterkirche Maria der Engel und der Pfarrkirche St. Mauritius einen Besuch ab. So einfach und klein die Klosterkirche wirkt, so gross und prunkvoll erscheint St. Mauritius. Beide lohnen sich, in Ruhe die Atmosphäre zu geniessen.

Kuh, Sennenhund und Ohrschuefle
Den letzten Halt auf meiner Tour durch Appenzell mache ich in Roger Dörigs Werkstatt und Laden, liebevoll Büdeli genannt. Er ist Sennensattler, einer der wenigen, die es noch gibt. Eine Berufslehre für diesen uralten Beruf gibt es nicht. Er ist eine Mischung aus Sattler und Goldschmied.

Dörig hat sein Können beim Grossvater gelernt, der ihm auch den weisen Rat gab: «Bleib klein und allein.» Das hat den Vorteil, dass er die Freiheit hat, seine Ideen umzusetzen und selber den Kontakt mit der Kundschaft zu pflegen.

Roger Dörig stellt fast alles her, was die Senner brauchen, von Kuh-, Geissen- und Hundehalsbändern, über Schuhschnallen, Hosenträger, Uhrketten, silberne Deckelpfeifen, Tabakbeutel mit ziseliertem Boden bis zu «Ohrschuefle» (Ohrhänger) und den beliebten Chüeligürtel.

Bei den traditionellen Trachtzubehören hat Dörig nicht so grosse künstlerische Freiheit, bei den Gürteln hingegen schon. Die gehören nämlich nicht zwingend zum offiziellen Outfit. Der Verschluss der typischen Ohrschuefle stellt übrigens eine Schlange dar, die Beschützerin der Milch. Diese Ohrgehänge werden ausschliesslich von Männern getragen, traditionellerweise am rechten Ohr, denn am linken käme sie beim Geige spielen in den Weg.

Neben der Kuh spielt bei den Appenzellern auch der Sennenhund, der «Bless», eine grosse Rolle, weshalb er künstlerisch in Dörigs Arbeiten schon längst Einzug gehalten hat. Seine Hundehalsbänder und Gürtel verkaufen sich dank Internet sogar weltweit. Und auch an Prominente. So trägt Rapper Bligg einen von Dörigs Gürteln und sogar Obamas Hund «Bo» hat ein Halsband made by Dörig.

Der Schlüsselanhänger, den ich unter Dörigs Anleitung selber machen darf, bleibt nicht mein einziges Souvenir. Aber das einzige, das mir eine kleine Lektion in Sennensattlerei beigebracht hat. Mir gefällt Dörigs Beruf ausgezeichnet, auch wenn ich jetzt weiss, dass er durchaus schweisstreibend sein kann und viel Geschick und Können braucht.
Wem übrigens der Name Roger Dörig irgendwie bekannt vorkommt, der sollte ans Schweizer Skiteam denken. Bis 1993 war er im B-Kader der Ski-Nati, doch dann verletzte er sich am Knie, was das Aus bedeutete. Dafür hatte er jetzt Zeit für seinen aussergewöhnlichen Beruf und übernahm 1994 das «Büdeli» von seinem Grossvater. Dort schaue ich beim nächsten Besuch in Appenzell garantiert wieder vorbei, denn Roger Dörig macht aus seiner Arbeit kein Geheimnis wie die eingangs erwähnten Sennen. Aber vielleicht sollte er…?

Infos zu Appenzell
ANREISE
Mit dem eigenen Wagen oder den SBB bzw. Appenzeller Bahnen.
HOTEL
Adler
Weissbadstr. 2
www.adlerhotel.ch
Nächtigen in historischen Mauern, umsorgt von herzlichen Angestellten. Die Zimmer sind unterschiedlich eingerichtet, aber immer heimelig mit ihren teils schiefen Türen und Wänden. Ganz einfach charmant.
RESTAURANT
Marktplatz
Kronengarten 2
www.marktplatz-appenzell.ch
ADRESSEN VON HANDWERKERN & PRODUZENTEN
Appenzeller Alpenbitter AG
Weissbadstr. 27
www.appenzeller.com
Beck Böhli
Engelgasse 9
www.boehli-appenzell.ch
Kunstgewerbe Roger Dörig
Poststr. 6
www.myappenzell.com
Löwen-Drogerie
Hauptgasse 20
www.loewen-drogerie.ch
TIPP FÜR WANDERVÖGEL
Wer Lust auf eine Wanderung hat, kann sich bei Bloggerkollegin Ellen von Patotra.com im Beitrag Frühling im Appenzell: Eine Panoramawanderung im Blütenrausch inspirieren lassen!
TIPP FÜR TAGESAUSFLÜGLER
Für all jene, die einen solchen Tagesausflug nicht selber organisieren möchten, haben wir im Reisebüro Mittelthurgau passende Angebote entdeckt. Mit dem Bus geht es am 24.7. und 21.8.2020 ab fünf Einstiegsorten samt Reiseleitung, Erfrischungen und Mittagessen nach Appenzell.
WEITERE DESTINATIONSINFOS
Appenzellerland Tourismus AI
www.appenzell.ch
Und: Stadt Appenzell
© Text & Fotos: Inge Jucker | TravelExperience.ch | 2020 aufdatiert
Offenlegung: Diese Reportage wurde von Appenzellerland Tourismus AI unterstützt.
Hinterlasse einen Kommentar